Der neue Patek Philippe-Messestand in Halle 1 der Baselworld 2014 sorgt für Furore. Seine Transparenz und das klare Design sorgen für Erstaunen.
Dass die Genfer Traditionsmanufakatur im Jahr des 175. Geburtstags derart überzeugend auftreten kann, verdankt sie vier Generationen der Eigentümerfamilie Stern. Aber Patek Philippe kannte auch ganz andere Zeiten:
1932 standen, das gilt übrigens für die gesamte Schweizer Uhrenindustrie, auch im 1839 gegründeten Hause Patek Philippe die Zeichen wirtschaftlich auf Sturm. Schuld war 1929 der Börsencrash in den USA und die damit verknüpfte Massenarbeitslosigkeit. Das Interesse an luxuriösen Armbanduhren musste hinter den täglichen Überlebenskampf zurücktreten.
Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten viele Patek Philippe-Uhren ihren Weg übrigens nicht nur nach New York und von dort in die ganzen USA genommen, sondern auch nach Brasilien und dort speziell zu Carlos Gondolo. Die beiden Großabnehmer, also der US-amerikanische Importeur und die Südamerikaner sollten dem Genfer Unternehmen noch heftige Bauchschmerzen verursachen.
Eine erste gravierende Veränderung in der Unternehmensstruktur hatte 1877 der Tod des Grafen Norbert Antoine de Patek nach sich gezogen.
Norbert Antoine de Patek
Sein 1857 geborener Sohn Léon Mecyslas Vinvent de Patek, Student der Rechtswissenschaften, und die Tochter Marie Edwige, Jahrgang 1859, besaßen wenig Interesse an der Firma und begnügten sich zunächst mit einer stillen Teilhaberschaft. 1901, als Patek Philippe & Co. zur Kollektivgesellschaft Ancienne Manufacture d’Horlogerie Patek Philippe & Co. SA mutierte, veräußerten sie ihre Namensrechte gegen Leibrente an das längst von der Familie Philippe dominierte Unternehmen.
Jean-Adrien Philippe
Der 13. August 1904 brachte ein Abkommen mit LeCoultre über die Lieferung von jährlich 4.000 Rohwerken, darunter zahlreiche nach den spezifischen konstruktiven Vorgaben zur Herstellung der berühmten „Chronometro Gondolo“. Unter diesen Vorzeichen überstand Patek Philippe auch die gelegentlich krisengeschüttelten Jahre im frühen 20. Jahrhundert.
Richtig turbulent wurde es am 1929. Quasi über Nacht tendierten die Verkäufe in Richtung USA und Brasilien gegen null. Mehr noch: Der wichtige Kunde und Aktionär Gondolo & Labouriau, Rio de Janeiro, geriet in heftigen Zahlungsverzug. Im Verwaltungsrat, dem ab 1931 auch der Rohwerkelieferant Jacques-David LeCoultre angehörte, folgte eine Krisensitzung auf die andere. Als die finanzielle Not fast schon ins Unermessliche wuchs, diente das Aufsichtsgremium von Patek Philippe seinem Lieferanten LeCoultre und dessen Holding SAPIC die Aktienmehrheit. Doch Deal platzte wegen unannehmbarer Forderungen und der inakzeptablen Bewertung des vorhandenen Vermögens,darunter auch der noblen Immobilie im Herzen Genfs.
In dieser äußerst unangenehmen Epoche erschien, ein echter Glücksfall, der Weiße Ritter quasi durch die Hintertür. Charles und Jean Stern, Eigentümer der „Fabrique de Cadrans Stern Frères” und langjährige Geschäftspartner übernahmen sukzessive nicht nur frei gehandelte Anteilsscheine, sondern auch jene des New Yorker Importeurs Stein, des südamerikanischen Großkunden Gondolo & Labouriau und die von LeCoultre.
Die unverzügliche unternehmerische Entscheidung, unter der Ägide des kompetenten CEO Jean Pfister nach dem Dilemma mit LeCoultre ab 1933 eigene Rohwerke zu entwickeln und fertigen, erwies sich als besonders zukunftsweisend.
Mit der legendären Referenz 96 nahm die Erfolgsgeschichte von Patek Philippe unter Ägide der Familie Stern ihren Anfang
Während vier Generationen Stern, gemeint sind neben den beiden Genannten auch Henri, Philippe und aktuell Thierry reüssierte Patek Philippe zu einer echten 100-Prozent-Manufaktur, die alle verbauten Kaliber selbst verantwortet. Seit 2009 stammen auch alle Chronographenwerke aus eigener Produktion.
Das einzig Foto mit drei Generationen Stern: v.l.n.r Thierry, Henri und Philippe Stern im Jahr 1996
Für das Lebenswerk der Familie Stern und ihr nunmehr 82-jähriges Engagement für Patek Philippe konnte Thierry Stern am Abend des 26. März 2014 in der säkularisierten Basler Elisabethenkirche vor den Augen zahlreichen Gästen aus der Uhrenbranche den Lifetime-Award von GQ International entgegennehmen. Hierzu möchte ich aufs Herzlichste gratulieren.