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Channel: Gisbert L. Brunner
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Bravo Walter!!!

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An die erste Begegnung mit Walter von Känel erinnere ich mich, als ob es gestern gewesen wäre. 1990 holte mich der Longines-CEO im schon leicht angegrauten Firmen-Mercedes höchstpersönlich am Basler Flughafen ab.

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Dynamisch wie immer_ Walter von Känel, 72

Während der Fahrt in den Jura erzählte er, der am Tag zuvor aus Moskau zurückgekommen war, begeistert von den Segnungen der nach Glasnost und Mauerfall geöffneten Ost-Märkte. Für die von ihm seit 1988 geleitete Traditions-Uhrenmarke sah der offenherzige Chef gerade dort riesige Chancen. Und er sollte recht behalten, wie sich in den anschließenden Jahren zeigte, als Walter von Känel das Haus Longines mit Hilfe der Swatch Group, dem gesamten Team und allen Mitarbeitern in Saint-Imier von Erfolg zu Erfolg führte. Seine Karriere beim 1832 in St- Imier gegründeten und bis heute dort beheimateten Uhr-Unternehmen hatte im denkwürdigen Jahr 1969 ganz bescheiden begonnen. Bemerkenswert war das Auf dem Gebiet der uhrmacherischen Mechanik, die bald einen beispiellosen Niedergang erleben sollte, präsentierten Breitling, Heuer, Seiko und Zenith die weltweit ersten Automatik-Chronographen. Andererseits debütierten elektronische Quarzuhren, die bald schon als „Sargnägel“ des konventionell Tickenden in die Geschichte eingehen würden.

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Anzeige von 1970. als Walter von Känel zu Longines kam

All das kümmerte Walter von Känel damals herzlich wenig. Der Ex-Zöllner und -Mitarbeiter einer Zifferblattfabrik hatte sich erfolgreich bei der 1832 in Saint-Imier gegründeten Uhrenmanufaktur als Assistent des Verkaufsdirektors beworben und startete alsbald schon mit einer McDonnell-Douglas DC-8 zum Flug über den großen Teich. Dort importierte Longines-Wittnauer mehr als 50% der gesamten Werke-Produktion. Aus Kostengründen erfolgte die Assemblage zu fertigen Uhren in New York unter Verwendung US-amerikanischer Zutaten.

Der 1941 in Schwerin Geborene mit tief reichenden eidgenössischen und auch einigen deutschen Wurzeln lernte schnell. Vor allem aber erledigte er die ihm übertragenen Aufgaben mit Bravour. „Aber das stressige Leben in der Fremde“, so Walter von Känel, „besaß auch seine Schattenseiten. Während nur sechs Monaten nahm ich 14 Kilogramm zu.“ Zurück im Westschweizer Jura, wo ihm das Management wegen des überaus erfolgreichen Agierens sofort die Verantwortung für den US-amerikanischen Markt aufbürdete, setzte die Ehefrau ihren Gatten erst einmal auf Diät.

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Nicolas G. Hayek

Damals standen beim traditionsreichen Arbeitgeber tiefgreifende Veränderungen ins Haus. 1971 wurde Longines neben anderen namhaften Uhrenmarken wie Certina, Edox, Eterna, Mido, Oris, Rado und Rotary Mitglied der General Watch Company, welche sich ihrerseits zusammen mit dem mächtigen Rohwerketrust Ebauches SA unter dem Dach der ASUAG-Holding (Allgemeine Schweizerische Uhren Industrie AG) befand. Die umwälzenden geschäftlichen Neuerungen spornten Walter von Känel in besonderer Weise an. Ihm bedeutete das Wohl von Longines auch persönlich ungemein viel. Und dieses Engagement fand seine Belohnung in Beförderungen erst zum internationalen Verkaufsleiter sowie später zum Verkaufs- und Marketingdirektor. 1988, also vier Jahre nachdem die ASUAG und die infolge der Quarz-Revolution nicht minder notleidende SSIH unter dem Dach des unter tatkräftiger Mitwirkung von Nicolas G. Hayek neu gegründeten SMH-Konzerns zusammengefunden hatten, konnte der 47-Jährige auf dem Chefsessel von Longines Platz nehmen. Beinahe selbstverständlich leistete und leistet Walter von Känel auch in dieser Position Großartiges. Die Berufung in die Erweiterte Konzernleitung der heutigen Swatch Group war damit vorprogrammiert. Sie erfolgte 1991.

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Die Fabrikationsstätten von Longines an den länglichen Wiesen in Saint-Imier in der Zeit des Umbruchs

In die Ära Walter von Känels fallen viel beachtete Kaliberentwicklungen. Eine davon ist das ultraflache L.990 mit Rotor-Selbstaufzug und zwei Federhäusern, lanciert 1970. Dieses Uhrwerk verkörperte in der Tat eine Krönung bei den modernen Automatikwerken. Mit dieser herausragenden Entwicklung endete andererseits aber auch der Auftritt als exklusive Mechanik-Manufaktur. Die letzten Exemplare des L.990 verbaute Longines im Jahr 2002 anlässlich der Feierlichkeiten zur Fertigstellung des dreißigmillionsten Zeitmessers.

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Das futuristische und andernorts bis heute produzierte Longines-Kaliber L.990

„Besagtes Jahr 1984 brachte für Longines in der Tat eine große Umstellung“, berichtet Walter von Känel retrospektiv. „Im Zuge der Verschmelzung von ASUAG und SSIH mussten alle Gruppenmitglieder ihre Uhrwerke aus ökonomischen Gründen von der Eta kaufen. Dieser strategische Beschluss des Direktoriums sicherte die überlebensnotwendigen Stückzahlen.“ Aber auch unter diesen Vorzeichen konnte der Chef mit Longines weiter reüssieren. Jahr für Jahr ging es bergauf. 1983 brachte die ultraflache Quarzuhr „Agassiz“, welche an den Firmengründer erinnert und als „La Grande Classique“  zu den Bestsellern der Marke zählen. Die 1984 vorgestellte „Conquest V.H.P.“ glänzte durch „Very High Precision“.

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Longines Conquest V.H.P 1984

Zum 175 Geburtstag stellte Longines 2007 die „Master Collection Retrograde“ vor. Bei ihr zeigte sich eine neue, vom damals schon 66-jährigen CEO aus innerster Überzeugung angestoßene Philosophie. Sie stützt sich voll und ganz auf die umfassende Mechanik-Kompetenz der Eta. Zu Bewährtem gesellte sich jedoch auch Exklusives in Gestalt zusätzlicher, allesamt retrograd agierender Indikationen. „Natürlich musste Longines das ganze finanzielle und unternehmerische  Risiko dieser Entwicklungen tragen.“ Aber der spontane Erfolg gab Walter von Känel einmal mehr Recht. Die Entwicklung eines Chronographenkalibers, das an die bei Sammlern hoch begehrten Manufakturwerke 13.33 Z und 13 ZN knüpft, war damit nur eine Frage der Zeit. Nach mehrjährigen Vorarbeiten stand 2011 endlich das serienreife

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Zum Jubiläum: Master Collection Retrograde

A08.231 mit klassischer Schaltradsteuerung zur Verfügung. Longines taufte dieses Uhrwerk L.688.2. Mit den bekannten Eta 7750 oder Eta A07.111 hat das Automatikwerk nur sehr wenig gemein. Im Grunde genommen handelt es sich um eine echte Neuentwicklung, die „im Auftrag von Longines entstand und von der Eta speziell für Longines gefertigt wird. Dies geschah mit dem Einverständnis und der Unterstützung der Swatch Group Direktion, insbesondere von Verwaltungsratspräsidentin Nayla Hayek und CEO Nick Hayek.“

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Automatikkaliber L688.2 mit Schaltrad-Chronograph

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Longines Conquest, Kaliber L.688.2, Preis ca. 2.300 €

All das, die zahlreichen Erfindungen der Marke, die Leistungen auf dem Gebiet der Chronographen, Fliegeruhren, Navigation und Sportzeitmessung lassen sich bei einem Rundgang durch das inzwischen völlig neu gestaltete Firmenmuseum in St. Imier bestaunen. Im Eingangsbereich findet sich auch das umfassende Archiv. In seinen vielen Folianten sind alle Longines-Uhren akribisch verzeichnet. Ein Besuch lohnt sich definitiv.

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In diesen Folianten finden sich die Nummern aller bislang produzierten Longines-Uhren

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Seite aus einem der Longines-Archivbücher

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Natürlich im Museum zu finden: die legendäre Lindbergh von Longines

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Abteilung Sportzeitmessung im Longines-Museum

Unter Walter von Känel als CEO hat sich die in den frühen 1980-er Jahren noch reichlich „dümpelnde“ Uhrenmarke Longines zum Millionär und Milliardär aufgeschwungen. Über Zahlen redet Mann in der Swatch Group, die nur konsolidiert bilanziert, selbstverständlich nicht. An diese Regel hält sich natürlich auch der Boss. Andererseits funktionieren die Buschtrommeln in dieser Branche durchaus gut. Ihnen gemäß werden 2013 deutlich mehr als eine Million Uhren die Fabrikationsstätten von Longines verlassen. Viele davon begründen infolge eines unglaublich feinen Marktgespürs des unverzichtbaren Chefs die sensationellen Erfolge in China. Hier kann Longines nicht zuletzt wegen der günstigen preislichen Positionierung seiner mechanischen Zeitmesser im Bereich bis zu 2.200 Euro gewaltig punkten. Luxussteuer und antikorruptive Initiativen können dem Label fast nichts anhaben. Die Marke Longines wächst, und wächst und wächst. Nach Omega nimmt sie den zweiten Platz im Swatch-Group-Markenranking ein. Wenn alles gut geht, und dem dürfte sich angesichts der durchdachten Kaliber-, Produkt- und Preispolitik kaum in den Weg stellen, wird Longines 2014 die magische Marke von 1,5 Millionen Uhren knacken und einen Umsatz von deutlich über einer Milliarde Schweizerfranken erwirtschaften. Trotz bemerkenswert günstiger Verkaufspreise, den bis 30 bar wasserdichten „Hydro Conquest“ Automatik-Chronographen mit dem exklusiven Schaltrad-Kaliber L.688 gibt es immerhin schon für 1.600 Euro. Walter von Känel weiß und zeigt allen, wie es geht.

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"Hydro Conquest" Chronograph, Schaltrad-Kaliber, wasserdicht bis 30 bar, 1.600 Euro

Der Stolz auf seine Produkte, die weltweiten Erfolge und auf die traditionsreiche Marke Longines war Walter von Känel auch beim letzten Treffen in St. Imier förmlich ins Gesicht geschrieben. Mit seinen 72 Jahren wirkt er taufrisch wie immer. In seiner Einstellung zum Job hat er mit Nicolas G. Hayek eines gemeinsam: Er empfindet die Anwesenheit im Büro und das viele Reisen keineswegs als Arbeit sondern als Freude und Genuss. Und genau das spürt man auch am Betriebsklima an den „Länglichen Wiesen“. Walter von Känel fordert viel, denn ohne das sind die beschrieben Erfolge undenkbar. Aber zu seinen Maximen gehört auch das Fördern. Außerdem stellt sich der Ex-Colonel der Schweizer Armee, wenn es denn sein muss, mit aller Kraft vor seine mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und dafür gießt er im Haus höchste Wertschätzung.

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Walter von Känel liebt Papier. Computer: Fehlanzeige

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Mit Blick auf alles gibt es an dieser Stelle aus meinem Mund nur zwei Worte: Bravo Walter! Ergänzend darf freilich nicht fehlen: Bleib und mach noch lange weiter, wie du bist. Longines und die Uhrenwelt brauchen außergewöhnliche Menschen wie dich.  

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Brandneu und kantig wie Walter von Känel: die Heritage 1968 mit dem Automatikkaliber Eta 2892-A2, Edelstahl, 33 x 33 mm, wasserdicht bis drei bar, 1.480 Euro


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