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Channel: Gisbert L. Brunner
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Hublot liebt Design, Runde zwei

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Vor fünf Wochen, konkret am 27. April 2015 berichtete ich an dieser Stelle erstmals über den neuen Hublot Design Prize.

Damals hatten sich die international renommierte Jury unter Leitung von Pierre Keller, dem ehemaligen Direktor der Kunst und Design Universität Lausanne (ECAL) sowie Verwaltungsratspräsident des Zentrums für Zeitgenössische Kunst in Genf (CAC) in Paris getroffen, um die Kandidaten für die Endausscheidung auszuwählen.
Zum Gremium gehören ferner:
- Lapo Elkann, Design-Experte, Gründungsmitglied von Italia Independent und früherer Fiat Marketingchef,  
- Marva Griffin Wilshire, Gründerin und Kuratorin des „Salone Satellite“, ferner internationale Pressechefin der Mailänder Möbelmesse mit einer Abteilung, welche jungen Designern unter 35 vorbehalten ist,
- Ronan Bouroullec, einer der vielversprechendsten Industriedesigner Frankreichs und schließlich
- Professor Dr. Peter Zec, Gründer und Präsident des „Red Dot Design Award“, welcher 2015 sein 25. Jubiläum zelebriert.

Gestern, 4. Juni 2015, ging die zweite Runde zur Vergabe des Hublot Design Prize 2015 In Mailand über die Bühne. Ziel war die Begegnung der Juroren mit den in die engere Wahl gezogenen Kandidaten. Im persönlichen Gespräch konnten die Auserkorenen ihre Arbeit, Philosophie und die Hintergründe ihres Schaffens persönlich darlegen.

Hublot Design Prize 2015 v.l.n.r Lapo Elkann, Pierre Keller, Marva Griffin Wilshire und Ronan Bouroullec (Prof. Peter Zec fehlt)

Die Finalisten des Wettbewerbs 2015 sind:

Bethan Laura Wood, London

Bethan Laura Wood

Nach dem Abschluss des Royal College of Art mit einem MA in Produktdesign gründete Bethan in London ein Studio, in dem insgesamt drei Leute arbeiten. Auf ihr farbenfrohes Outfit legt die englische Designerin besonderen Wert. Je nach verfügbarer Zeit investiert sie darauf mal zehn Minuten oder auch eine ganze Stunde. Eine besondere Leidenschaft hat Bethan für Holzfurniere und Intarsien entwickelt.

Möbel von Bethan Laura Wood

Alle Muster gestaltet sie selbst. Das Ausschneiden geschieht mit Hilfe moderner Lasertechnologie. Beim Zusammenfügen der Muster ist wiederum die Hand gefragt. Die von Attributen und Aspekten des „Banalen“ beeinflusste Arbeit integriert stets auch grundlegende Elemente einer modernen Stadt. Muster, Farben und Patina von Objekten ergeben sich auch aus dem Herstellungsprozess und den Gebrauchsspuren. Bethan interessiert sich auch dafür, warum man an einem bestimmten Gegenstrand klebt, anderes hingegen achtlos ausgibt.

Armreifen von Bethan laura Wood

Neben Schmuckstücken aus Holz kreiert die Designerin mitunter auch ihre eigenen Kleider. Gerne würde sie irgendwann auch einmal eine Uhr gestalten, denn zu Zeitmessern, in diesem Fall majestätischen Pendeluhren hat sie durch die in Wales beheimatete Familie eine enge Beziehung. 

Bethan Laura Wood Lampenentwürfe und fertig ausgeführte Lampe aus Glas

Mit dem Preisgeld in Höhe von 100.000 Schweizerfranken würde Bethan Projekte initiieren, ihr Designstudio weiterentwickeln und den näüchsten Level ihres Schaffens erreichen.

BIG-GAME, Lausanne

BIG-GAME Lausanne: v.l.n.r. Gregoire Jeanmonod, Elric Petite und Augustin Scott de Martinville

Die Feststellung von Augustin Scott de Martinville, einem Mitglied des Designstudios BIG-GAME in Lausanne, lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig: „Nicht nur in der Schweiz gibt es zu viele Designer, die Gegenstände gestalten wollen. Der Grund ist auch darin zu suchen, dass sich die Zahl der Absolventen an den einschlägigen eidgenössischen Hochschulen in den Vergangenen Jahren beinahe verdreifacht hat.“ An diesem Sachverhalt sind Scott und seine Partner Grégoire Jeanmonod sowie Elric Petit nicht ganz unschuldig, denn neben ihrer gestalterischen Arbeit agieren die Absolventen der Ecole cantonale d’art de Lausanne (Ecal) auch als Dozenten. Nach dem Studium an dieser Hochschule gründeten sie 2004 das BIG-GAME. Dort entstehen unter anderem Accessoires,

BIG-GAME Utensilienbox für Alessi

Leuchten,

BIG-GAME Tischlampe für Wiener Silber-Manufactur

Möbel, Innenausstattungen und auch technische Gerätschaft. Durch die ansprechenden und vor allem auch praktischen Arbeiten wächst die internationale Klientel beständig. Zu ihr zählen u.v.a. Alessi, Habitat, Hermès, Logitech, Moustache, Muji, Nespresso, die Wiener Silber-Manufactur und inzwischen auch Provins im Wallis. Für den großen Winzer gestaltete das Trio eine Weinflasche mit markantem Ring rund um den Boden.

BIG-GAME Tischlampe für Wiener Silber-Manufactur

Auf diese Weise erhielt die von der klassischen Bordeaux-Flasche abgeleitete Kreation einen besonderen Wiedererkennungswert. Für Lexon, Paris, entstand auch eine Armbanduhr.

Vom BIG-GAME gestaltete Armbanduhren für Lexon Paris

Speziell dieses Thema verkörpert für die Zukunft einen besonderen Reiz.
Sollten die drei Schweizer den Hublot Design Preis gewinnen, möchten sie ihr relativ kleines Studio hoch über Lausanne ausweiten, denn es platzt zwischenzeitlich aus allen Nähten.

Brynjar Sigurðarson, Island, Berlin & Schweiz 

Brynjar Sigurðarson


Trotz der Verlegung seiner Wirkungsstätten weg von Island, wo einst die Wiege stand, ist der Mann mit schwer aussprechbarem Namen seiner nordischen Heimat tief verbunden. Das zeigt sich in seinen Arbeiten, die immer wieder Geschichten des Lebens und Arbeitens in Island aufgreifen. Die Fischerei gehört dazu. Zeichnungen, Fotos, Filme, Tonaufzeichnungen, Objekte und spezielle Möbel bringen diese Heimatverbundenheit auf sehr spezielle Weise zum Ausdruck.

Brynjar Sigurðarson_Garderobe

2011 startete der Ecal-Absolvent mit der Einrichtung von „Mikro“-Studios in Berlin und Lausanne. An seiner ehemaligen Studienstätte unterrichtet Brynjar darüber hinaus auch Master-Studenten. Seine Kreationen entstehen durch enge Verbundenheit mit der Natur, durch Herumwandern und sammeln von Inspirationen. So schafft Brynjar beispielsweise aus Holz, Eisen und Schnüren sehr ungewöhnliche, von der Galerie Kreo vertriebene Möbel.

Brynjar Sigurðarson Tisch für Galerie Kreo

Den Umgang mit den nahezu überall zu findenden Schnüren hat ihn ein 70-jähriger Hai-Jäger beigebracht.

Brynjar Sigurðarson: Gestaltungsdetail mit Schnüren

Die Tiefe der Beziehung zu einem Ort, den dort verwendeten Materialien, Arbeitstechniken und Gewohnheiten entsteht durch konzentriertes gedankliches Eintauchen. Hinterher kann der Isländer die Erkenntnis und die eingesammelten Elemente in ritualisierten Objekten und Szenen intuitiv neu zusammenfügen.

Brynjar Sigurðarson

„Sollte ich den Preis gewinnen, möchte ich meine Reise fortsetzen und Zeit finden, um meine Designsprache weiterentwickeln.“

Daniel Rybakken, Göteborg und Oslo

Daniel Rybakken

Dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, trifft auch auf den 35-jährigen Daniel Rybakken zu. Seine Eltern sind ebenfalls Designer. Er selbst wuchs in Oslo auf, studierte an der dortigen Architektur- und Design-Hochschule sowie an der
Schule für Kunst und Kunsthandwerk in Göteborg. In der schwedischen Stadt eröffnete der Master of Fine Arts im Jahr 2008 sein eigenes Designstudio. Künstliches Licht mit Tageslichtqualität ist für Daniel Rybakken, der sich stets im Grenzbereich zwischen Kunst und Design bewegt, eine ständige Herausforderung. Die Ambitionen resultieren aus dem Leben in Skandinavien mit lang anhaltender Dunkelheit in den Wintermonaten.

Daniel Rybakken, normal und mit künstlichem Tageslicht erhellter Raum

Deshalb entwickelte er Möglichkeiten, sogar in fensterlose Räume virtuelles Tageslicht zu zaubern. Weil bei ihm jedes Objekt etwas mit Licht zu tun hat, bietet sogar ein simpler Tisch, egal wo er steht, den Effekt einfallenden Tageslichts. In diesem Sinn entwirft er außergewöhnliche Leuchtkörper, Lampen, künstlerisch inspirierte Installationen sowie u.a. für den italienischen Lampenproduzenten Luceplan Prototypen zur späteren Serienproduktion.

Daniel Rybakken, Tischleuchten für Luceplan

Selbst dunklen, unwirtlichen Räumen verleiht der künstlerisch angehauchte Produktgestalter mit seinen Schöpfungen eine fröhlich anmutende Atmosphäre. Sie hinterlässt den Eindruck, dass draußen die Sonne scheint. „Mit meinem Design möchte ich positive Energien freisetzen, denn die Aktivität des Menschen wächst selbst bei nur vorgegaukeltem mit Tageslicht. Die neue LED-Technologie bietet hier unglaubliche Möglichkeiten.

Daniel Rybakken, Counterbalance für Luceplan

Sollte ich das Preisgeld gewinnen, kann ich mehr Zeit auf konzeptionelle Arbeiten verwenden. Die von großen Marken bezahlten Lizenzgebühren bieten nämlich keinen großen finanziellen Spielraum. Pro Exemplar der Counterbalance zahlt mir Luceplan gerade einmal sechs Euro.“

Federico Santa Maria, Mailand

Federico Santa Maria

Seinen Bachelor in Architektur hat der Italiener Federico Santa Maria 2009 an der Polytechnischen Hochschule in Mailand erworben. Die anschließende Dissertation bezog sich auf Komposit-Werkstoffe. Das prädestinierte ihn auch zur beruflichen Auseinandersetzung mit allem, was sich auf dem Wasser bewegt. Das Faible für schnittige Segelyachten und kraftvolle Motorboote reicht bei Federico bis in die Jugendzeit zurück.

Entwurf einer Segelyacht von Federico Santa Maria

„Leider gelangen Hochleistungs-Segelboote, welche ich wegen meiner Passion für diesen Sport besonders liebe, heute jedoch immer mehr ins Hintertreffen. Unter Segeln erreicht man auf ökologische Weise jede Ecke der Erde. Trotzdem gehört die Gegenwart immer mehr den Schiffen mit Motor.“ Nach verschiedenen beruflichen Tätigkeiten, darunter von 2009 bei Wally Yachts, mit denen übrigens auch Hublot einmal kooperierte, rief der Italiener 2012 in Mailand das „Studio Santa Maria Magnolfi“ ins Leben. „Hier kann ich meinen speziellen, von klaren Formen und Strukturen gekennzeichneten Design-Ansatz realisieren.“

Motoryachten von Federico Santa Maria

Die spezielle Herausforderung besteht darin, unbedingte Seetüchtigkeit mit äußerst reduzierter Formgebung, Funktionalität und Präzision zu verknüpfen. Das Leistungsspektrum des Studios erstreckt sich von ersten Skizzen bis hin zur Konstruktion des Ganzen. Hier gelangen dann freilich auch noch Ingenieure an Bord. Ob Federico seine Kreationen nach monatelanger Arbeit irgendwann zu Gesicht bekommt, hängt immer von den Kunden ab. „Machen wollen ihre Freude mit dem Designer teilen, andere nicht. Wenn ich das Preisgeld erhalte, kann ich junge Leute für neue Projekte anstellen und den Erfahrungsschatz im Umgang mit Schiffen ausweiten.“ 

Schiffinterieur von Federico Santa Maria

Die Würfel sind nach der Jurysitzung in Mailand übrigens noch nicht gefallen. Also drücke ich den Finalisten weiterhin die Daumen. Die Preisverleihung wird auf jeden Fall Ende Oktober während der Tokio Designers Week stattfinden. Natürlich werde ich das Ergebnis an dieser Stelle so schnell wie möglich publizieren.


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