Weniger als drei Stunden braucht er, der japanische „Bullit Train“, besser bekannt als Shinkansen, um die rund 550 Kilometer lange Strecke von Tokio nach Morioka zurückzulegen. Dort im Norden des Landes der aufgehenden Sonne findet sich seit die Mechanik-Schmiede des hierzulande oft unterschätzten Uhrenmultis Seiko, der 1913 die erste japanische Armbanduhr präsentierte.

“Laurel” von Seiko, 1913, als erste japanische Armbanduhr
Als ich vor Jahren erstmals in der abgeschiedenen bergigen Landschaft eintraf, kam mir spontan der Westschweizer Jura in den Sinn.

Bergregion bei Morioka im Norden Japans
Hier entsteht die Uhrenlinie Grand Seiko, was auf gut Deutsch nichts anderes heißt als „Große Präzision“.


Die erste “Grand Seiko” von 1960, ausgestattet noch mit einem Handaufzugswerk
Spitzenexemplare der 1960 vorgestellten und seitdem konsequent optimierten Uhrenlinie sind auf einen mittleren täglichen Gang von minus bis plus zwei Sekunden reguliert. „Normale“ Grand Seiko-Exemplare bewegen sich ausnahmslos in einer Bandbreite zwischen minus drei und plus fünf Sekunden. Damit unterbieten sie das Delta der Schweizer Chronometernorm (minus vier bis plus sechs s/d) um zwei Sekunden. Offizielle Prüfverfahren kennt man in Japan nicht. Aber die Uhrmacher-Ehre des 1881 von Kintarō Hattori ins Leben gerufenen Uhrennehmens gestattet kein Abrücken von den selbst gesetzten Normen. Auch dann nicht, wenn der von ausgewiesenen Spezialisten durchgeführte Regulierungsprozess in sechs Lagen sowie bei Temperaturen von 8, 23 und 38 Grad Celsius viel Zeit in Anspruch nimmt. Wegen der zusätzlichen sechsten Lage erstreckt sich die interne Genauigkeitsprüfung über insgesamt 17 Tage. Am Ende erhält jede „Grand Seiko“ ein ausführliches Gangzeugnis.
Geprüfte Präzision besitzt bei Seiko übrigens eine ungeahnt lange Tradition. Schon in den 1950-er Jahren dominierte die Manufaktur ihren Heimatmarkt bei Genauigkeitswettbewerben. Die erste Teilnahme am Chronometerwettbewerb des Neuenburger endete 1964 enttäuschend, denn über einen 144. Platz kam das japanische Unternehmen nicht hinaus. Aber Seiko ließ nicht locker. Mit größter Konsequenz ließ das Management Fehlerquellen zum Beispiel in Gestalt magnetisierter Spiralen erforschen und ausmerzen. So arbeitete sich Seiko bei den eidgenössischen Chronometerwettbewerben innerhalb von fünf Jahren auf einen ersten Platz vor. Und das mit klassischen 18.000 Unruh-Halbschwingungen pro Stunde.

Das hoch präzise Wettbewerbskaliber 052 von Seiko, wegen der Form auch Kartoffel genannt.
Inzwischen liegt die Standard-Frequenz der Grand Seiko bei vier Hertz. Zum 50. Geburtstag des Spitzenmodells im Jahr 2010 brachten die Japaner auch eine „Hi-Beat 36000“ mit dem 5-Hertz-Automatikkaliber 9S85 auf den Markt. Hinsichtlich der Veredelung von Werkekomponenten und Gehäusen muss sich Seiko nicht hinter dem europäischen Wettbewerb verstecken. Ich entdeckte beim Besuch der Ateliers ein Quantum zeitraubender und damit kostspieliger Handarbeit, welches in der Uhr-Schweiz vielerorts längst der Vergangenheit angehört.


Uhrenstudios in Morioka bei Seiko Instruments
Das langwierige Fertigungs-, Regulier- und Kontrollprozedere erklärt letzten Endes auch die Preise der „Grand Seiko“ Armbanduhren mit automatischem Innenleben. Wer es billig möchte, muss zu anderen Produkten greifen, von denen Seiko ebenfalls eine ganze Menge offeriert. Und genau das beschert den Japanern fernab vom Heimatmarkt ein gewisses Akzeptanzproblem. Die Spanne zwischen Anfangs- und Endpreislagen ist fürwahr beträchtlich. Aber Kenner der Szene wissen sehr genau, was sie für ihr gutes Geld bekommen.
Zum 55. Geburtstag der „Grand Seiko“ wartet die große japanische Manufaktur mit einer Grand Seiko Historical Collection auf. Sie rückt die 62GS von 1967 als erste „Grand Seiko“ Automatikuhr in den Blickpunkt.

Grand Seiko 62GS von 1967
Das hoch präzise Modell verfügte über ein poliertes, facettiertes Gehäuse sowie, bedingt durch den Verzicht auf eine separate Lünette eine große Zifferblattöffnung. Unmissverständliche Hinweise auf den Selbstaufzug lieferte die Verlagerung der Krone von der „3“ zur „4“.
Getreue Nachempfindung oder moderne Neuinterpretation? Entscheiden Sie selbst.
Die von Seiko in Basel vorgestellte 62GS-Kollektion umfasst acht Modelle. Vier davon erinnern ohne Wenn und Aber an die Originale von 1967. Im Inneren der Schalen aus Stahl oder Massivgold tickt das Rotorkaliber 9S65. Nostalgische Gefühle bei Kennern wecken das Löwen-Emblem auf der Gehäuserückseite, das Zifferblattdesign mit charakteristischen Stundenmarkierungen sowie der Schriftzug „Diashock“.
Factsheet zu den Retromodellen SBGR091, 092, 094, 095
Uhrwerk:

Automatikkaliber 9S65 in der Grand Seiko
Kaliber 9S65 Automatik
Durchmesser 28,4 mm
Höhe 6,0 mm
Unruhfrequenz vier Hertz
Gangautonomie 72 Stunden
Gangabweichung unter statischen Bedingungen: -3 bis +5 Sekunden pro Tag
Gehäuse:
Durchmesser 37,6 mm
Höhe 12,9 mm
Wasserdicht bis zehn bar
Schraubboden

SBGR091: Weißgold

SBGR092: Gelbgold

SBGR094: Rotgold
Je 100 Exemplare zu 16.000 Euro

SBGR095: Edelstahl
500 Exemplare, 4.300 Euro