Auf Chronographen versteht sich Longines seit 1878. Da nämlich erschien mit tatkräftiger Unterstützung des nach New York ausgewanderten Uhrmachers Henry Alfred Lugrin, Jahrgang 1848 das große Handaufzugskaliber 20H auf der zeitschreibenden Bildfläche. Und zwar zur Verwendung in Taschenuhren, versteht sich.
Das Handaufzugskaliber Longines 20H mit einem Chronographen-Schaltwerk von H.A, Lugrin
erster Taschen-Chronograph von Longines, 1878, noch ohne Zähler
Ab etwa 1905 beschäftigte sich die Traditionsmanufaktur ganz generell mit Armbanduhren. Chronographen fürs Handgelenk, anfangs ausgestattet mit nur einem Kronendrücker, ließen hingegen noch bis 1913 auf sich warten.
Longines Kronendrücker-Chronograph fürs Handgelenk aus der zeit um 1915 mit dem Manufakturkaliber 13.33Z
In jenem Jahr gelangte das anschließend bis 1936 gefertigte und regelmäßig optimierte 13.33Z mit 13 Linien oder 29 Millimeter Durchmesser auf den Markt. Weitere Eigen-Entwicklungen waren das 1936 lancierte Kaliber 13ZN sowie das 13¼-linige, 6,2 Millimeter hohe 30CH von 1947. Irgendwann in den 1950-er Jahren endete bei Longines die Ära als Chronographen-Manufaktur. Der zunehmend härtere Wettbewerb verlangte nach einer Neuausrichtung des zeitschreibenden Geschäfts auf der Basis konfektionierter Rohwerke, die zum Beispiel Valjoux in hervorragender Qualität fertigte. Im Modell „Nonius“ von 1964 oder in anderen Chronographen stoppt deshalb das bewährte Schaltrad-Handaufzugskaliber Valjoux 72 die Zeit. Ab den späten 1970-er Jahren fand zunehmend das 1973 vorgestellte Valjoux 7750 mit Selbstaufzug, Schwingtrieb-Kupplung und Kulissenschaltung in die Gehäuse. Damit alleine mochten sich Walter von Känel und die von ihm geleitete Longines mangels Exklusivität aber nicht mehr begnügen. Abhilfe schaffte eine Kooperation mit der Schwester Eta. Deren neues Automatikwerk sollte alle positiven Merkmale des 7750 aufweisen, aber wieder ein klassisches Schaltrad besitzen und sich dennoch in kundenfreundlichen Preisregionen bewegen. Nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit gab 2010 das L688.2 seinen Einstand.
Automatikkaliber Longines L688.2 mit Schaltradsteuerung
Der Rohwerkefabrikant taufte das 13¼-linige, ausschließlich für Longines gefertigte Automatik-Oeuvre mit 27 Steinen und 54 Stunden Gangautonomie intern A08.231. Alte Bekannte sind der einseitig wirkende Kugellagerrotor, der altbewährte Schwingtrieb sowie das Schwing- und Hemmungssystem. Die Glucydur-Unruh samt ihrer Nivarox-Flachspirale oszillieren mit vier Hertz, was Achtelsekunden-Stoppgenauigkeit ermöglicht. Beim Newcomer handelt es sich keineswegs um einen bloßen Abkömmling des 7750 sondern um eine grundsätzliche Neuentwicklung. Nachdem sich die Beanspruchung des Schaltrads auf sechs Säulen verteilt, ist die Abnützung geringer als beim wippenden Schaltnocken. Hier konzentrieren sich Reibung und Druck auf lediglich zwei Punkte. Servicefreundlichkeit verspricht unter anderem der selbst regulierende Nullstellhammer für Chronographenzeiger und Minuten-Totalisator. Für Start, Stopp und Nullstellung sind zwei Drücker zuständig. Erinnerungen an die chronographischen Anfänge im frühen 20. Jahrhundert gestattet die optisch weitestgehend gleiche Variante Eta A08.L11 oder Longines L.788.2 mit Kronendrücker. Sie findet sich in verschiedenen Ausführungen des „The Longines Column-Wheel Single Push-Piece Chronograph“.
oben Erinnerungen ans Jahr 1913 oder 1915: The Longines Column-Wheel Single Push-Piece Chronograph mit Stahlgehäuse und beweglichen Bandanstößen; Preis ca. EUR 3.560
The Longines Column-Wheel Single Push-Piece Chronograph mit klassischen Bandanstößen
oben in Stahl, Preis ca. EUR 3,390
unten Rotgold, Preis ca. EUR 8.200
Offiziell physisch vorgestellt wird das chronographische Trio im Rahmen der Baselworld 2014. In Anlehnung an die frühen Vorbilder besitzen alle eine rote „12“ und lediglich einen 30-Minuten-Totalisator bei der „3“. Das Vorbild des 40 Millimeter großen, bis drei bar wasserdichten Retro-Stoppers mit markant römischen Stundenziffern stammt übrigens aus der Zeit um 1915. Typisch für die Epoche ist das runde, seinerzeit noch von Taschenuhren abgeleitete Gehäuse mit beweglichen Bandanstößen. Nostalgie pur, kann ich da nur sagen.