„Meine Karriere habe ich nie geplant. Es kam immer wie es kam. Über das Angebot habe ich mich jedoch sehr gefreut, denn ich wollte schon immer mal in Deutschland arbeiten. Das auch, weil ich ein Semester in Saarbrücken studiert habe und die Sprache liebe. Elf Jahre lang habe ich bei Jaeger LeCoultre gearbeitet, der Firma geht es gerade super. Einen besseren Zeitpunkt um zu wechseln gibt es nicht.“ Das und anderes sagte mir Jérôme Lambert am 16. August 2013 im Rahmen seines ersten Interviews in seiner neuen Funktion als CEO der traditionsreichen Hamburger Luxus-Manufaktur Montblanc.
Jérôme Lambert, CEO Montblanc
Auf meine Frage, wo die Arbeitsschwerpunkte während der kommenden Monate liegen, antwortete mir der gebürtige Franzose mit wirtschaftswissenschaftlichem Studium:
„Meine erste Priorität sind Lederprodukte, meine erste Priorität sind Uhren, meine erste Priorität sind Schreibgeräte und meine erste Priorität ist Schmuck. Spaß beiseite: Mein bzw. unser Ziel ist es, Weltmeister in allen Kategorien zu sein. Bei Schreibgeräten liegt der Marktanteil beispielsweise bei 40 Prozent. Das Unternehmen ist bereits top in all seinen Bereichen. Ich möchte es noch erfolgreicher machen.“
Seit dieser Aussage sind exakt fünf Monate ins Land gegangen. Gestern, am 15. Januar 2014 traf ich Jérôme in Hamburg wieder, denn der Chef wollte mir noch vor dem Genfer Uhrensalon SIHH höchstpersönlich zeigen, was er und sein Team seit dem Amtsantritt in chronometrischer Hinsicht auf die Beine gestellt haben. Und das kann sich in Anbetracht der relativ kurzen Zeitspanne definitiv sehen lassen. Die neue Kollektion trägt unübersehbar die Handschrift des unermüdlich schaffenden Geschäftsführers. „Ohne mein engagiertes Team wäre das, was du heute von mir zu sehen bekommst, völlig unmöglich gewesen“, meinte Jérôme mit deutlich wahrnehmbarem Stolz in der Stimme. Aber auch die Teammitglieder ließen mich ihre unverhohlene Freude wissen. Der Tenor: „Es macht unglaublichen Spaß, unter und mit Jérôme Lambert zu arbeiten. Er fordert wahnsinnig viel, hinterfragt viele Details, bietet uns andererseits aber auch sehr viele Impulse, lässt Gestaltungsfreiraum und entscheidet zügig.“ Anders hätte man bei Montblanc die neue, vielschichtige Kollektion auch nicht auf die Beine stellen können.
Das Uhrencuvée 2014 zeigt aber auch, dass sich ein Haupt-Augenmerk auf die tickenden Produkte richtete. „Gegenwärtig entfällt etwa ein Drittel meiner Kapazität auf den Sektor Uhren“, ließ mich Jérôme in diesem Zusammenhang wissen. Dabei ging es nicht nur um das Design und die Technik, sondern auch um die richtige preisliche Positionierung. Mit scharfer Analyse wurden Marktsegmente ausgelotet, in denen sich echte Chancen bieten. Akribisch listete mir der agile Boss auf, welche Marken welche Preissegmente verlassen haben, wo dadurch Nischen oder Lücken entstanden sind. Und genau da hinein zielt die brandneue, extrem klassisch gestaltete und in der Schweiz mit eidgenössischen Komponenten gefertigte „Meisterstück Heritage“-Kollektion. Liebe zum Detail wird dabei sehr groß geschrieben. Das betrifft beispielsweise die Proportionen der Gehäuse, Zifferblätter und Zeiger. „Natürlich hätten wir es uns einfacher machen können und beispielsweise standardisierte Indexe und Zeiger kaufen können. Aber genau das wollten wir nicht. Deshalb haben wir die Indexe individuell gestaltet, die Längen mit den Zeigern abgestimmt und in der Schweiz exklusiv für uns fertigen lassen.“
Das illustre „Meisterstück Heritage“-Spektrum reicht von der sehr schlichten zwei-Zeiger-Automatik mit dem Sellita SW 200 für unter 2.000 Euro
Montblanc “Meisterstück Heritage Automatic”, zwei-Zeiger-Version mit dem Automatikkaliber Sellita SW 200
Montblanc “Meisterstück Heritage Automatic Date” mit Stahl-/Gold-Gehäuse
Montblanc “Meisterstück Heritage Mondphase” mit Zeigerdatum, Automatikkaliber Sellita SW 300 mit Dubois-Dépraz-Modul
bis hin zum limitierten (90 Exemplare) Rotgold-„Pulsograph“ mit dem hochfeinen Manufaktur-Handaufzugskaliber MB-M13.21 für 27.000 Euro.
Der neue “Meisterstück Heritage Pulsograph”
Das Manufaktur-Handaufzugskaliber MB-M13-21
Besonders beeindruckt hat mich ein ewiger Kalender, den Montblanc für 9.950 Euro offerieren wird. Im Edelstahl-Gehäuse wirken das sorgfältig dekorierte Automatikkaliber SW 300 und ein Dubois-Dépraz-Modul zusammen.
Montblanc “Meisterstück Heritage Perpetual Calendar” Edelstahl mit ewigem Kalender
unten: Montblanc “Meisterstück Heritage Perpetual Calendar” Rotgold
Montblanc “Meisterstück Heritage Perpetual Calendar” Edelstahl mit ewigem Kalender, Zifferblattdetail
Natürlich hat Montblanc auch seinen Manufaktur-Klassiker „Hommage to Nicolas Rieussec“ mit dem Manufaktur-Automatikkaliber MB-R200 weiterentwickelt.
Montblanc Manufakturautomatik MB-R200
Als die diese Armbanduhr in Augenschein nahm, keimte in mit der Eindruck auf, der französische Erfinder des „Zeitschreibers“ sei an der Gestaltung beteiligt gewesen.
Rieussec Tintenschreiber von 1821
Die Reduktion auf Wesentliches bestimmte das helle Gesicht.
Montblanc “Hommage to Nicolas Rieussec” 2014
An den Funktionen, nämlich Rotoraufzug, zwei Federhäusern, 72 Stunden Gangautonomie, vier Hertz Unruhfrequenz, Fensterdatum, Zeitzonen-Dispositiv mit individuell verstellbarem zweitem Stundenzeiger sowie Tag-/Nacht-Indikation und schließlich ein-Drücker-Chronograph mit Schaltradsteuerung, Vertikalkupplung und rotierenden Scheiben à la Rieussec 1821 hat sich nichts geändert. Natürlich werden gestoppte Zeitintervalle nicht mehr aufgeschrieben, sondern angezeigt. Erinnerungen an den Erfinder des Namens Chronograph weckt der längliche, rhombusförmige Balken im Süden des Zifferblatts. Die Spitzen des aus gebläutem Stahl gefertigten Doppelzeigers dienen der Orientierung auf der linken Scheibe für die Permanentsekunde und dem rechtsseitig angeordneten Totalisator-Pendant.
Für ein echtes Aha-Erlebnis muss Mann mit dieser Armbanduhr ins Dunkle gehen. Im Hellen sind keine Stundenziffern sondern nur die sehr sachlich ausgeführte Minutenskala zu erkennen. Und mancher Betrachter wundert sich über den scheinbar unmotiviert langen Stundenzeiger. Dem genauen Ablesen der Zeit tut das keinen Abbruch, denn diese ergibt sich allein aus der Zeigerposition am Zifferblatt. Verschwindet das Licht, präsentiert sich äußerst eindrucksvoll die weltweit erstmals eingesetzte Zifferblatt-Technik aus Österreich. Der weiße, im Hellen absolut traditionell anmutende Minutenkreis besteht aus modernster Hybrid-Keramik mit präzise integrierten Pigmenten aus Superluminova. Selbige formen die Stundenziffern im charakteristischen, arabischen Stil der Montblanc Rieussec Kollektion, welche bei Tageslicht absolut unsichtbar sind,
Die weißen, emailartig anmutenden Oberflächen dieses Stunden- und Minutenrings sowie der beiden Scheiben stehen vornehmem Kontrast zur ansonsten feinkörnigen Grainé-Struktur des Zifferblatts. In Roségold wird Montblanc 193 Exemplare zu jeweils 26.900 Euro anbieten:
In Stahl gibt es 565 Stück à 8.990,—.
Ein technisches Manufaktur-Highlight wird Montblanc auch in der „Timewalker“-Linie zeigen. Davon mehr in meinen kommenden Berichten aus Genf.