Der Kalender zeigte den 18. Juni des Jahres 1815. Rund um das etwa 20 Kilometer südlich von Brüssel gelegene Hofgut Hougoumont konnten zwei hartgesottene Feldherren ihre Nervosität kaum verbergen.


Gut Hougoumont bei Brüssel
Einer, der aus seiner Verbannung nach Elba zurückgekehrte Napoleon Bonaparte

Napoleon Bonaparte
wartete sehnsüchtig auf Marschall Emmanuel de Grouchy mit seinen Truppen. Auf der anderen Seite wünschte sich der Herzog von Wellington

Thomas Lawrence Duke of Wellington
in seinem Hauptquartier nahe Waterloo dringend den Generalfeldmarschall Blücher mit seinem Generalquartiermeister Gneisenau herbei. Nervös blickten die erbitterten Gegner immer wieder auf ihre präzisen Taschenuhren von Abraham-Louis Breguet, denn diese waren vermutlich das Einzige, was sie außer der Kampfeslust verband.
Dazu Wellington selbst: „Ich schaute öfter auf meine Uhr als alles andere sonst. Ich wusste, wenn meine Truppen die Stellungen bis zur Nacht halten konnten, stieße Blücher noch vor dem Morgen zu mir und würden wir Bonaparte am nächsten Tag keine Armee mehr lassen.“
Der Ausgang der Schlacht bei Waterloo ist bekannt. Wellington und seine Verbündeten siegten, Napoleon Bonaparte musste sich geschlagen geben und die letzten Jahre seines Lebens als Gefangener auf der Atlantikinsel St. Helena verbringen.
Vor der verlustreichen Auseinandersetzung dürften vermutlich auch noch andere Beteiligte gelegentlich das Zifferblatt ihrer Breguet konsultiert haben.
Aus dem französischen Lager gehörten zum Kundenkreis des genialen Uhrmachers
- Marschall de Grouchy
- Marschall Ney

Breguet von Michael Ney, gekauft 1813
- Jérôme Bonaparte, der Bruder von Napoleon

eine Breguet von Jérôme Bonaparte
- General Kellerman und
- der Chirurg Dominique Larrey.
Unter den Alliierten vertrauten nachweislich
- Lord Paget
- Lord Somerset
- Major Percy
- General Cooke
- General Maitland und
- General Ponsonby auf die Uhrmacherküste des gebürtigen Schweizers,
dessen Erfindungen der französische Außenminister und Breguet-Kunde Charles Maurice de Talleyrand einmal als teuflisch bezeichnet hatte.
Warum schreibe ich das alles?
Am 18. Juni 2015 jährte sich die Schlacht bei Waterloo zum 200. Male. Nachdem die Feiern zum 100. Jahrestag 1915 wegen des tobenden Ersten Weltkriegs ausfallen mussten, ging es gestern im frisch und besonders aufwändig renovierten Gut Hougoumont, welches seinerzeit übrigens auf niederländischem Staatsgebiet stand, richtig hoch her.


Feierlichkeiten auf Hougoumont

Nachkommen der seinerzeit kämpfenden Parteien waren ebenso zur Stelle wie seine Königliche Hoheit der Prinz von Wales samt Gemahlin.


Der Prince of Wales in Hougoumont am 18. Juni 2015


Extra gepolsterte Stühle für die königlichen Hoheiten aus England



Ehrenplätze in Waterloo
Das britische Militär zeigte größte Präsenz und unterstrich somit die damalige Siegerrolle.

Britische Militärs vor dem neuen Ehrenmal in Hougoumont

Fürst Nikolaus Blücher von Wahlstatt repräsentierte seine Linie und damit die Preußen.

Fürst Nikolaus Blücher von Wahlstatt
Auf französischer Seite überragte der 1,95 Meter große Prinz Charles Napoleon Bonaparte

Prinz Charles Napoleon Bonaparte
viele der illustren Gäste, darunter auch König Philippe von Belgien und Frau Mathilde sowie König Willem-Alexander der Niederlange mit Frau Maxima.

Symbolische Versöhnung durch Handschlag nach 200 Jahren: Wellington, Napoleon Bonaparte und Blücher
Natürlich durfte bei einer Veranstaltung wie dieser das Haus Breguet nicht fehlen. Immerhin hatte Abraham-Louis Breguet seinerzeit reichlich Uhren an verschiedene der Kampfhähne geliefert. Und seine geschäftlichen Nachfahren, also die Swatch Group und der aktuelle CEO Marc A. Hayek

Breguet CEO Marc A. Hayek
haben die Renovierung und Erweiterung von Gut Hougoumont zu einer Gedenkstätte mit rund einer halben Million Euro großzügig unterstützt. Gerechnet wird mit jährlich bid zu 650.000 Besuchern.

Das berühmte Nordtor zum Gehöft Hougoumont

Eine der vielen Gedenktafeln auf Hougoumont


Die restaurierte Scheune


Der neue Raum Breguet in Hougoumont
Spannungsfrei war das Verhältnis zwischen Napoleon und seinem Uhr-Lieferanten übrigens nicht. Im April 1798, einen Monat vor dem Aufbruch zum Ägyptenfeldzug kaufte der General dem Meister-Uhrmacher gleich drei Zeitmesser ab: ein garde-temps mit Repetition, eine tragbare Reiseuhr

Breguet Reiseuhr für Napoleon Bonaparte
und eine Repetieruhr mit Selbstaufzug. Letztere kam im Juni 1801 zurück in die Werkstatt. Sand, Pferde und vielleicht auch Dromedare hatten sie stark in Mitleidenschaft gezogen, was den angehenden Kaiser offensichtlich so erzürnte, dass er fortan bei Breguet keine weiteren Uhren mehr bestellte. Ganz im Gegensatz zu seinem Widersacher Wellington, der bis zu seinem einträglichen Sieg bei Waterloo nur eine Breguet sein Eigen nannte, danach aber acht weitere bestellte.

Eine der Taschenuhren von Breguet für Wellington
Die Zurückhaltung des französischen Kaisers musste Breguet nicht bekümmern. Andere Familienmitglieder der Bonapartes kauften dafür umso mehr. Zusammen sollen es rund 100 Uhren gewesen sein. Außer Napoleon selbst bediente Breguet u.a. dessen Gattin Josephine und auch Bruder Jérôme, welcher zwischen 1805 und 1809 nicht weniger als zwölf Zeitmesser kaufte.
Schwester Caroline Murat, ab 1808 Königin von Neapel, bezog bis 1814 sogar 34 Exemplare, darunter die erste Armbanduhr des großen Meisters seines Fachs.
Besagte Königin von Neapel erlaubt den eleganten Sprung in die Gegenwart, weil sich die „Reine de Naples“ mit ovalem Gehäuse heute als ikonographische Damenarmbanduhr am Markt ausgesprochen gut behauptet.

Aktuelle Reine de Naples von Breguet
Zur aktuellen Situation bei Breguet konnte ich am Rande des Waterloo-Events einige Fragen an CEO Marc A. Hayek richten.
Wie viele Uhren produziert Breguet heute?
Wir reden nicht gerne über Zahlen, aber gegenwärtig entstehen jährlich rund 30.000 Breguet Uhren.
Der Markt ist momentan nicht gerade einfach. Der Ferne Osten, namentlich China, Hongkong und Macau schwächeln. Bei den russischen Kunden dürfte es auch nicht gerade zum Besten stehen.
Ich muss zugeben, dass uns speziell die russischen Touristen in den vergangenen zwei Jahren wirklich fehlen. Russen gehören traditionsgemäß zu unserer besten Klientel. Und in China macht uns zu schaffen, dass wir keine klassischen Breguet Armbanduhren mit Stahlgehäuse haben. Wegen der strengen Antikorruptionsgesetze werden solche zunehmend nachgefragt.
Wird Breguet die Philosophie ändern und über kurz oder lang entsprechende Modelle produzieren?
Genauso wie wir keine Uhren mit Quarzwerk machen wird es auch keine klassischen Breguets mit Stahlgehäuse geben.

Breguet Classique Chronométrie 7727 B
Breguet ist in Sachen Uhrmacherei heute genauso innovativ und progressiv wie seinerzeit Abraham-Louis. 2012 präsentierten Sie zur Baselworld die 2012
„Classique Chronométrie 7727 B“ mit magnetfeldgelagerter Unruhwelle. 2013 gelangte sie auf den Markt. Wie reagieren die Kunden auf so eine spezielle Uhr?
Mit den Abverkäufen sind wir keineswegs unzufrieden. Die Uhr hält, was sie uns versprochen hat. Sie reguliert ausgesprochen gut. Es gibt nichts zu kritisieren.
Werden eines Tages auch andere Breguet-Zeitmesser mit diesem Schwingsystem ausgestattet sein.
So weit sind wir noch nicht. Die Produktion reicht noch nicht aus, um auch andere Werke damit auszustatten.
Wie steht es mit der ultrakomplizierten doppelseitigen Armbanduhr zu Ehren Ihres verstorbenen Großvaters?
Wenn ich sage, das war und ist ein Alptraum, übertreibe ich nicht. Das ursprüngliche Konzept mussten und müssen wir vollständig überarbeiten. Im Grunde genommen wird das Uhrwerk von unseren Uhrmachern komplett neu aufgebaut. Aber ich bin zuversichtlich, dass sie eines Tages funktionieren wird.
Wann findet Ihr neuer, zur Baselworld 2015 vorgestellter Tradition Chronographe Indépendante 7077 an die Handgelenke der potenziellen Kunden.


Breguet CEO Marc A. Hayek mit der Tradition Chronographe Indépendante 7077 am Handgelenk
Ich trage gerade den Prototypen und der funktioniert völlig problemlos. Daher rechne ich bis Ende des Jahres 2015.

Breguet Minutenrepetition 2015
… und die neue Minutenrepetition mit einzigartigen konstruktiven Merkmalen und sehr speziell geformten Tonfedern?
Hier hoffe ich, dass wir bis zum Ende des laufenden Jahres zwei Exemplare fertig bekommen. Richtig los geht es aber erst im Februar 2016.