Gestern, am 8. Juli 2014 hatte ich Gelegenheit, die brandneue Flieger-Armbanduhr von Oris in Augenschein zu nehmen. Wine Weltpremiere sozusagen, denn bei der „Big Crown ProPilot Altimeter“ handelt es sich um die erste Armbanduhr mit Automatikwerk und rein mechanischem Höhenmesser.
Damit knüpft diese Modell irgendwie logisch an im Frühjahr 2013 vorgestellte „Aquis Depth Gauge“ mit intelligentem Tiefenmesser.
In beidem Modellen tickt das Rotorkaliber SW 200, von Oris 733 getauft.
Retrospektive
Wenn ich mir die beidem Zeitmesser nebeneinander betrachte, fällt mit beinahe zwangsläufig die 1737 gegründete, heute aber fast in Vergessenheit geratene Traditionsmarke Favre Leuba ein. Dort schrieb man das Jahr 1964, als Henry A. Favre in Genf ein neues Fabrikgebäude eröffnete. Im ihm entstanden anschließend u. a. das extraflache Kaliber 253 mit zwei Federhäusern sowie die „klügste Armbanduhr im Dienste des Menschen“.
So jedenfalls titulierte die Manufaktur ihre 1963 lancierte „bivouac” in Zeitungsanzeigen. Der Name war natürlich mit Bedacht gewählt, denn er steht für ein Zwischenlager in luftigen Höhen. Und genau dort konnte die Biwak ihre Zusatzfunktion tatsächlich am besten zur Geltung bringen. Auf ihrem Zifferblatt stellte sie neben den Stunden, Minuten und Sekunden nämlich auch noch die Veränderungen des Luftdrucks dar.
Wie das geht, zeigt sich nach dem Abschrauben des Rückdeckels. Hier sticht eine große Membrandose ins Auge, welche das ganze Uhrwerk überdeckt.
Durch einige Linksdrehungen lässt sie sich lösen und aus dem Gehäuse entfernen. Danach werden der auf einer Brücke montierte Barometer-Mechanismus sowie das darunter liegende Uhrwerk sichtbar. Ersterem, einem durchdachtem Hebelwerk, kommt der Job zu, die luftdruckabhängigen Hin- und Herbewegungen der Dosenmembran in Kreisbewegungen umzuformen, welche eine feine Achse durch die durchbohrte Minutenradwelle des Uhrwerks nach vorne aufs Zifferblatt leitet. Ihr vorderes Ende trägt einen roten und damit deutlich wahrnehmbaren Zeiger.
Auf dem Zifferblatt entdeckt man neben den Stundenindexen mit Leuchtmasse auch eine barometrische Skala mit rotem Dreieck als Markierung für 760 mm Quecksilber-Säule. Die griffige, weil gerändelte Drehlünette haben die Designer mit einer Höhenskala in Hektometerschritten versehen. Wie sich unschwer erkennen lässt, reicht die Skalierung bis zu 3.000 Metern. Alpine Touren oder Flüge in einer Kabine ohne Druckausgleich verlangten eine vorherige Anpassung der „bivouac“. Die Besitzer mussten sich zunächst an einen Ort mit bekannter Höhe über dem Meeresspiegel begeben. Hier stellten sie den in 25-Meter-Schritten rastenden Glasrand so ein, dass die Spitze des roten Zeigers mit diesem Höhenwert korrespondierte. Beim anschließenden Aufstieg sorgte der kontinuierlich nachlassende Luftdruck dafür, dass der rote Zeiger stets auf die aktuelle Höhe wies. Allerdings war die korrekte Funktion an gleich bleibende Luftdruckverhältnisse geknüpft. Von der barometrischen Skala konnten die Nutzer nach dem Studium der ausführlichen Bedienungsanleitung den mittleren und den tatsächlichen Luftdruck ablesen. Das wiederum verlangte jedoch ein wenig Kopfrechnen. Favre-Leuba offerierte die ungewöhnliche „bivouac” in zwei unterschiedlichen Ausführungen: eine mit und eine ohne Sekundenzeiger. Wegen des zentral positionierten Luftdruck-Zeigers kam allerdings nur ein Uhrwerk mit kleiner Sekunde in Betracht. In diesem Sinne hatten die Uhrmacher von Favre-Leuba das bewährte Handaufzugskaliber Peseux 320 ausgewählt. Selbiges umgaben sie mit einer schützenden Hülle aus Edelstahl.
Quasi als Gegenstück zur „bivouac“ präsentierte sich die auf den gleichen Konstruktionsprinzipien beruhende, bis 100 Meter wasserdichte „bathy 50“ mit Schraubkrone. Anstelle des Höhen- besaß sie einen Tiefenmesser.
Im Gegensatz zur „bivouac“ hatten die Konstrukteure die Membrandose so mit dem durchbohrten Rückdeckel verschweißt, dass nach dem Verschrauben kein Wasser ins Innere der Uhr vordringen kann. Durch die Öffnungen gelangt das Wasser an die Außenseite der Membrandose. Der hierbei entstehende Druck wird nach innen weitergegeben und über die gleiche Hebelmechanik wie bei der „bivouac“ auf einen Tiefenzeiger übertragen. Dieser gestattet, wie der Name „bathy 50“ bereits andeutet, die Indikation von Messungen Tauchtiefen bis 50 Meter. Eine rastende Drehlünette dient zum Einstellen der Tauchzeit. Um die Zeit kümmerte sich wiederum das Handaufzugskaliber Peseux-Kaliber 320.
Oris und die Gegenwart
Bei ihrem innovativen Mess-Duo haben die Techniker von Oris zwei unterschiedliche Wege beschritten. Im Rand des besonders dicken Saphirglases der 46 Millimeter großen, bis 50 bar wasserdichten „Aquis Depth Gauge“ findet sich ein unübersehbares Messrohr. Beim Abtauchen presst das durch ein kleines Loch eindringende Wasser die Luft zusammen. Die Tiefe indiziert eine hell-/dunkelgraue Farbkante im Zusammenwirken mit einer gelben Skala.
Auf ein Dosenaneroid und Umlenkmechanik kann Oris infolge dieser Konstruktionsprinzipien also getrost verzichten.
Up, up and away
Ganz anders der brandneue „Big Crown ProPilot Altimeter“, mit dem Oris an seine bis 1938 zurückreichende Fliegeruhren-Geschichte erinnert.
Oris Pointer Date von 1938
Erkennungszeichen der Zeitmesser für Piloten war eine große, griffige Krone, welche sich auch mit Handschuhen drehen ließ. Seitdem hat Oris jede Menge unterschiedliche Fliegeruhren entwickelt und produziert. Zum Modellspektrum gehören besagte „Big Crown“, die „BC3“ von 1999 und die „BC4“ von 2008. Letztere gewann 2009 den prestigeträchtigen Red Dot Design Award. 2014 wartet Oris mit der „Big Crown ProPilot“ Kollektion auf. Zur Date, Day Date und der Version mit Chronograph gesellt sich nun die komplexe “Big Crown ProPilot Altimeter” als erste patentierte Automatik-Armbanduhr mit mechanischem Höhenmesser. (Die Favre Leuba „bivouac“ besaß wohlgemerkt ein Handaufzugswerk.)
Mit seiner stählernen, 47 Millimeter großen Eigenentwicklung wendet sich Oris freilich nicht nur an Piloten, die den Höhenmesser im Cockpit ja ständig vor Augen haben, sondern auch an Bergsteiger, Mountainbiker, Forscher und Wissenschaftler. Genau genommen handelt es sich um einen Kombi aus tickender Uhr und mechanischem barometrischen Höhenmesser eidgenössischer Provenienz.
Das Dosenaneroid mit dem Hebelmechanismus zur Steuerung des Höhenmesser-Zeigers
Eine besondere Herausforderung stellte dabei der hierfür nötige Zeiger dar. Er muss gleichermaßen leicht wie steif sein. Deshalb kommen hier laminierte Kohlenstofffasern zu Einsatz. Dieses Material macht den zweiarmigen Zeiger in der Tat sieben Mal leichter und doch zehn Mal steifer als ein konventionell gefertigtes Exemplar.
Der zweiarmige Höhenmesser-Zeiger aus Karbonfaser
Höhenmesser-Zeiger und -Skala der Oris Big Crown ProPilot Altimeter
Eine weitere Herausforderung bestand in der Abwehr von Feuchtigkeit. Zu diesem Zweck ersann Oris die patentierte Krone bei der „4“ zum Einstellen und Entlüften des Höhenmessers. Eine PTFE-Membran dient dabei als Dampfsperre.
Bei verschraubter Krone (Position 0) und solcherart deaktiviertem Höhenmesser ist der Bolide wasserdicht bis zu zehn bar. Nach dem Aufschrauben in „Position 1“ zeigt sich ein roter Ring. Er signalisiert die Funktion des Höhenmessers bei eingeschränkter Wasserdichte. Will heißen, dass Mann mit dieser Armbanduhr nun nicht mehr abtauchen darf. Das Kalibrieren des Höhenmessern erfolgt nach dem vollständigen Ziehen der Krone in „Position 2“. Nach dem Justieren beispielsweise anhand des aktuellen Luftdrucks lassen sich die gegenwärtige Höhe mit Hilfe des zweiarmigen Zeigers und der gelben sowie der Luftdruck auf der roten Skala ablesen. Die zugehörige Höhenskala befindet sich am äußeren Zifferblattring.
Wahlweise bietet Oris zwei Zifferblatt-Varianten für Höhen von bis zu 15.000 Fuß oder solche bis zu 4.500 Metern. Zwischen der Höhen-Skala und dem zentralen Zeit-Zifferblatt findet sich die Luftdruckskala. Hat der Höhenmesser seine Schuldigkeit getan, drückt der Benutzer die Krone zurück in „Position 0“, damit die Uhr wie bis zu 100 Meter wasserdicht ist.
Die Krone bei der „2“ dient wie gewohnt dem manuellen Spannen der Zugfeder sowie dem Richten der Zeit-Zeiger.
Das Patent bezieht sich übrigens auch auf den koaxialen Grundriss dieser Armbanduhr, den durchbrochenem Werkhalter für den Höhenmesser
sowie den bereits erwähnten Zeiger aus laminierten Kohlestofffasern.
Datenblatt Oris „Big Crown ProPilot Altimeter”:
Uhrwerk: Automatikkaliber Oris 733 mit Fensterdatum, basierend auf Sellita SW200
Unruhfrequenz: vier Hertz
Gangautonomie: ca. 38 Stunden
Zusatzfunktion:
Integrierter mechanischer Höhenmesser mit Schweizer Barometerwerk
Gehäuse:
Edelstahl, Durchmesser 47 Millimeter, wasserdicht bis zehn bar
gewölbtes und entspiegeltes Saphirglas
Verschraubte Edelstahlkronen
Textilband mit Edelstahl-Faltschließe, alternativ Leder- oder stählernes Gliederband
Referenz 733 7705 4134 TS mit Fuß-Skala
Referenz 733 7705 4164 TS mit Meter-Skala
Preis: 2.900 Euro mit Textilband und 3.050 Euro mit Metallband
Die „Big Crown ProPilot Altimeter” wird ab September 2014 bei den Oris-Konzessionären erhältlich sein.