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Channel: Gisbert L. Brunner
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Baselworld 2014: Tutima Glashütte/Sa.

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Zu den Konsequenzen der bitteren Niederlage brachte das Ende des Ersten Weltkriegs auch die Erkenntnis, dass sich die deutsche Uhrenindustrie stärker aus der Abhängigkeit von eidgenössischen Zulieferungen befreien müsse. Außerdem sollten preisgünstige Glashütter Produkte breitere Bevölkerungsschicht ansprechen. So kam es am 9. November 1918 zur Gründung der „Deutschen‑Präzisions‑Uhren‑Fabrik Glashütte eGmbH”. Allerdings konnte die „Präzision” trotz fortschrittlicher Fertigungsmethoden und hochwertiger Produkte nicht richtig Fuß fassen. Inflation, Kaufzurückhaltung und Überschuldung führten 1925 zum Zusammenbruch. Aus der Konkursmasse gründete die Girozentrale Sachsen als Hauptgläubigerin ein Firmenkonglomerat,  zu dem auch die  „UROFA‑Uhren‑Rohwerke‑Fabrikation Glashütte AG” sowie die „UFAG ‑ Uhrenfabrik Glashütte AG” gehörten. Erstere sollte sich, wie der Name bereits sagt, um die Rohwerkeproduktion kümmern. Letzterer kam die Aufgabe zu, damit fertige Armbanduhren herzustellen und u.a. unter der Signatur „Tutima Glashütte.” zu vermarkten. Der zugkräftige Name Tutima kam nicht von ungefähr. Er leitet sich ab vom lateinischen Adjektiv „tutus”. Und das wiederum steht für „sicher, geschützt”.

Unter Leitung des Juristen Dr. Ernst Kurtz

und einiger kompetenter Mitstreiter

erfolgte die konsequente Entwicklung und Produktion eigener Armbanduhr ‑ Rohwerke. Diese sollten weitgehende Unabhängigkeit von eidgenössischen Lieferungen herbeiführen. Mangelndes Knowhow kompensierten Kauf und Transfer einer kleinen Schweizer Uhrenfabrik nach Sachsen. Allmählich entstanden brauchbare Kaliber, welche sich mit der eidgenössischen Konkurrenz durchaus messen konnten. Spitzenerzeugnis war ein eigener Flieger-Chronograph mit dem begehrten Kaliber 59:

Tutima Flieger-Chronograph von 1941

mit dem Handaufzugskaliber 59:

Am 7. Mai 1945, einen Tag vor dem schlimmen Bombardement, hatte Dr. Kurtz die Ortschaft Glashütte mit allem Hab und Gut verlassen. Noch im gleichen Jahr gründete er in Unterfranken einen neuen Betrieb, die Uhrenfabrik Kurtz. 1946 richtete er in Schwäbisch Gmünd zusätzlich eine Fertigungsstätte für Rohwerke ein.

Gemeinsam mit ehemaligen Glashütter Kollegen knüpfte er konsequent an vergangene Zeiten. Die Zifferblattaufschrift „Dr. Kurtz Glashütter Tradition” kündete unmissverständlich vom hohen Anspruch, überlieferte uhrmacherische Werte zu bewahren. Das 1949 vorgestellte Zentralsekunden‑Kaliber Kurtz 25 zeichnete sich durch chatonierte Lagersteine und eine Breguetspirale aus, war jedoch zu teuer. . 1953, Dr. Kurtz hatte bereits seit zwei Jahre zuvor seine Aktivitäten im niedersächsischen Ganderkesee zusammengefasst, endete seine Fertigung. 1956 erlangte das kleine 570 seine Serienreife. Dem Entrepreneur brachte es indessen nur noch wenig. Seine finanziellen Ressourcen waren erschöpft. So übernahm ein früherer Mitarbeiter aus Glashütte den Betrieb. Er führte ihn als NUROFA fort, wobei das “N” auf den Standort Norddeutschland hinwies. Weil das DDR‑Regime am traditionsreichen Namen Tutima kein nachhaltiges Interesse zeigte, feierte er in Niedersachsen ein glorreiches Comeback. In den Jahren 1958/59 fertigte die NUROFA knapp 70.00 Rohwerke des Kalibers N 570. Mitte 1959 investierte Dr. Kurtz zusammen mit einem Partner nochmals in die Ganderkeseer Rohwerkefertigung. Die UROFA lebte ein Jahr lang wieder auf. 1960 stand die Produktion eigener Rohwerke 1960 vor dem Aus.

Das Überleben des Namens Tutima ist Dieter Delecate, einem früheren Mitarbeiter des Dr. Kurtz verdanken, der sich 1957, nach dem ersten Zusammenbruch, mit einem Uhrengroßhandel selbständig gemacht hatte. Am 7. April 1970 erlangte er den Markenschutz für „Tutima”. Und daraus resultierte die „Tutima Uhrenfabrik GmbH” mit Sitz in Ganderkesee. So fand ein wichtiger Teil der Glashütter Tradition eine neue Heimat, denn wie in guten alten Zeiten spezialisierte sich das Unternehmen auf Fliegeruhren und dort ganz besonders jene mit Chronograph. Die Produktion basierte auf Schweizer Uhrwerken von Lémania und natürlich der Eta.

Retro-Flieger-Chronograph von Tutima, Automatikkaliber Eta 7750

Die Rückkehr zur Glashütter Tradition verknüpft sich mit dem Erwerb eines alten Gebäudes in der sächsischen Kleinstadt, der aufwändigen Renovierung und der Ausstattung mit einem modernen Maschinenpark.

Das Tutima-Gebäude in Glashütte

Foyer bei Tutima

und die Werkstätten:

Dort entwickelte Tutima mit dem T800 bis 2011 das erste deutsche Armbanduhrkaliber mit Minutenrepetition:

Das Kaliber T800, oben Rückseite, unten zifferblattseitig

verbaut im Modell Hommage.

Tutima Hommage mit Minutenrepetition

Die 31 Millimeter großen Handaufzugskaliber T617 

Handaufzugskaliber Tutiman T617

und T619 (letzteres mit Zeitzonen-Dispositiv), abgespeckte Derivate des T800, finden sich in goldenen Armbanduhren der Linie „Patria“.

Tutima Patria

2013 begann bei Tutima Glashütte/Sa. mit der „Saxon One“ auch eine neue chronographische Zeitrechnung.

Tutima Saxon One Generation 2013

Anlässlich der Baselworld 2014 zeigte mir Dieter Delecate am Tutima-Stand

eine erste Evolutionsstufe des 44 mm großen Stahl-Chronographen. Als tickende Basis des T521 mit Fensterdatum dient das Automatikkaliber Eta 7750. Ein Zusatzmodul Made in Glashütte bringt als Zusatznutzen einen zentralen und damit bestens ablesbaren 60-Minuten-Totalisator sowie einen zusätzlichen 24-Stunden-Zeiger bei der „12“. Geblieben ist der 12-Stunden-Totalisator gegenüber bei „6“. Auf diese Weise mutiert das Ganze hinsichtlich der Funktionen und Indikationen zum guten alten Lémania 5100, welches sich beispielsweise im Tutima „Military“ Chronographen findet.

Das Stahlgehäuse des zeitschreibenden Saxon-Bolide trägt am Handgelenk mit 15,5 Millimetern auf. Der Durchmesser liegt bei 43 Millimetern. Abtauchen kann Mann damit bis 200 Metern. Bei der farblichen Gestaltung der Zeiger haben die designer konsequent gehandelt. Die drei für die Chrono-Funktion zuständigen heben sich deutlich von den Zeit-Zeigern ab.   

Die Preise für die „Saxon One“ Chronographen bewegen sich zwischen 4.6000 Euro für die Modelle mit Leder- und 4.900 Euro für jene mit Metallband.


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