Steht die Uhrenindustrie vor einer dritten Revolution?


Die vergleichsweise riesige Beta 21 war 1969 die erste Schweizer Quarzuhrfürs Handgelenk

Wenn es um tragbare Zeitmesser mit elektronischem Innenleben geht, mit hoher Wahrscheinlichkeit. Der Grund: Wenn schon Quarz, dann aber auch „connected“, also verbunden mit dem heute fast schon obligatorischen Smartphone oder sogar direkt mit dem www. Speziell für die jüngere Generation sind Smartwatches oder Wearables ein bewegendes Thema, während ich für mich behaupten kann, dass an meinem Handgelenk kein Platz sein wird für jedwede Art von Elektronik. Da halte ich es lieber mit dem dänischen Philosophen Søren Kierkegaard, der schon im frühen 19. Jahrhundert meinte, dass schnell Wittwer wird, wer sich mit dem Zeitgeist vermählt. Mir persönlich reicht es schon, regelmäßig mein Smartphone und den Laptop gegen Geräte der neuesten Generation austauschen zu müssen. Mit Armbanduhren . verknüpfe ich dezentes Ticken, ausdauernde Partnerschaft, sehr lange Halbwertzeit und das Gefühl, meinen Kindern eines Tages etwas einigermaßen Wertbeständiges vererben zu können. Aber das ist meine ganz persönliche Meinung, die man nicht unbedingt teilen muss. Immerhin verheißen die wie auch immer gearteten Smartwatches einen milliardenschweren Zukunftsmarkt. Analysten prognostizieren jährliche Steigerungsraten von mehr als Prozent. In fünf Jahren, also 2020 könnte das Umsatzvolumen für diese Art Uhr bei mehr als 30 Milliarden US-Dollar liegen.
Kein Wunder, dass Fabrikanten aus aller Herren Länder auf den stetig schneller fahrenden Zug aufspringen. LG, Pebble, Samsung und Sony haben bereits mehr oder minder stark Fuß gefasst. Auf Apple wartet die Welt.
Da kann sich die Schweizer Uhrenindustrie natürlich nicht ausklinken. 2014 konnte sie 8.129.541 mechanische Armbanduhren im Wert von 15,5634 Mrd. Franken und 1,225.202 tickende Uhrwerke für CHF 147,4 Mio. exportieren. Dem standen 20.452.649 quarzgesteuerte Armbanduhren gegenüber, Wert 4,4147 Milliarden Schweizerfranken. Außerdem 5.135.054 Quarzwerke für 105,5 Millionen Franken. Macht zusammen 25.587.703 Exemplare im Wert von 4,52 Milliarden CHF.

Exporte der Schweizer Uhrenindustrie unterteilt nach Mechanik und Quarz -Quelle Fédération Horlogère Swiss (FHS) 2015
Ein beträchtliches Potenzial, das es mit Blick auf die Zukunft zu nutzen gilt. Die klassische mechanische Luxusuhr dürfte meiner Meinung nach vom Geschehen nur partiell betreffen sein.

Patek Philippe Präsident Thierry Stern sient in den Smartwatches keine Konkurrenz für seine Produkte
Diese Auffassung vertritt auch Thierry Stern, der mir zur Thematik folgendes mitteilte: „Ich glaube nicht, dass Smartwatches in einen Wettbewerb mit mechanischen Zeitmessern des Haute Horlogerie-Segments treten können. Das betrifft den ästhetischen und emotionalen Wert, unsere gemeinsame Passion bei der Herstellung dieser Uhren, die Leidenschaft unserer Klientel, die Langlebigkeit dieser Objekte und den langfristigen Werterhalt. Ein anderer wichtiger Aspekt besteht darin, dass sich mechanische Uhren immer reparieren lassen und deshalb so lange funktionieren wird wie es Uhrmacher gibt. Für uns ist Service oberstes Gebot und wir sind imstande, jede Uhr seit der Firmengründung im Jahr 1839 zu reparieren. Das ist der große Unterschied zur Welt der Elektronik.“
Mit dieser Meinung steht der Patek Philippe Präsident keineswegs alleine da.
Aber es gibt natürlich auch klassisch ausgerichtete Marken, welche sich im unteren und mittleren Preissegment tummeln. Und die trifft die neue Uhrenwelle sicher mit großer Wucht.
Einer der sicher Betroffenen ist Peter C. Stas

Peter C. Stas ist betroffen von den Smartswatch-Trends und hat gehandelt
mit seinen beiden Marken Frédérique Constant und Alpina. Sein Produktportfolio umfasst Uhren mit Quarzwerken, zugekaufter Mechanik und eigenen Manufakturkalibern. Auch ihn hatte ich im Herbst 2014 fürs GQ Uhrenspecial konkret befragt, was er von Smartwatches hält. Hier Peters Meinung: „Wir nehmen Smartwatches sehr ernst, denn wir glauben, dass sie einen beträchtlichen Marktanteil einnehmen werden. Der besondere Vorteil dieser Uhren besteht darin, dass sie ihr Gesicht durch ein simples Software-Update verändern können. Darüber hinaus sind vielfältige Funktionen und sonstige bemerkenswerte Features denkbar. Diese Uhren besitzen jedoch nicht das Potenzial, die mechanischen Armbanduhren vom Markt zu verdrängen. Aber sie werden den Quarzuhren Marktanteile abjagen.“
Und genau Letzteres will der aktuell in Genf lebende Holländer zusammen mit seiner Frau Aletta tun, ohne jedoch das angesehene Swiss Made aufzugeben.

Peter und Aletta Stas
Zum Zeitpunkt des Statements steckte die „Horological Smartwatch“, also die mit echten Zeigern ausgestattete Smartwatch bereits in der Pipeline.
„Allein konnten wir das Projekt jedoch keineswegs stemmen. Wir brauchten einschlägig erfahrene Spezialisten. Und die sitzen bekanntlich im Silicon Valley.“

Aletta Stas erläutert die Hintergründe zur Notwendigkeit und Kreation einer Horological Smartwatch
Ein Wunschpartner fand sich in der auf dem Gebiet tragbarer Technologien führenden Firma Fullpower, gegründet 2004 von Philippe Kahn. Mit dem 1952 in Paris geborenen Mathematiker verknüpfen sich namhafte Unternehmungen wie Borland, Starfish, oder LightSurf.

Philippe Kahn von Fullpower Technologies
Zusammen mit Kahn riefen Peter und Aletta Stas die in Genf angesiedelte MMT SARL (Manufacture Modules Technologies) ins Leben.

Für dieses Joint Venture entwickel(te)n die Kalifornier das schematische Design, die Firmware, die Smartphone-Apps sowie die Cloud-Infrastruktur. MMT verknüpft die MotionX-365 Horological Smartwatch Open Platform mit der Schweizer Uhrenindustrie, kreiert und produziert Schweizer Uhrwerke oder Module. in denen die Fullpower-Technologie steckt. Außerdem vergeben die Genfer Lizenzen für die MotionX-365 Horological Smartwatch Platform an externe Interessenten. Zu dieser Konstruktion nochmals Peter C. Stas: „Wir arbeiten sehr gern mit Philippe Kahn und seinem Team zusammen. Ihr Ansatz hinsichtlich der Verknüpfung von Technologie und Handwerkskunst passt sehr gut zu unserer Unternehmenskultur. Eine intensive Zusammenarbeit und eine Bündelung unserer Stärken hat es uns ermöglicht, die superspannende Swiss Horological Smartwatch zu realisieren, und bietet uns auch für die Zukunft ein großes Entwicklungspotenzial.“ Philippe Kahn seinerseits sekundiert: „Wir waren auf der Suche nach innovativen Partnern in der Schweizer Uhrenindustrie, mit denen wir zusammenarbeiten könnten.
Peters Bestrebungen, sein eigenes hochwertiges Uhrwerk zu entwickeln,
waren beispiellos, und so verstanden wir uns auf Anhieb und machten uns
an die Arbeit um dazu beizutragen, die Schweizer Uhrenindustrie neu zu
erfinden.“
Neben Frédérique Constant und Alpina hat sich zwischenzeitlich Mondaine Watch als dritte Schweizer Uhrenmarke vertraglich für die MMT-Technologieplattform MotionX entschieden.

Die Horological Smartwatch gibt es zuerst von Alpina, Frédérique Constant und Mondaine
Weitere Lizenznehmer sind herzlich willkommen, „denn die immensen Investitionssummen hätten unser beständig wachsendes Familienunternehmen überfordert.“
Die erste, im Juni 2015 ab ca. 1.000 Euro erhältliche Smartwatch-Kollektion von Frédérique Constant und Alpina wird mehr als zehn verschiedene Modelle für Damen wie für Herren umfassen.


Gemeinsame Merkmale sind die 24/7-MotionX-Aktivitäts- und -Schlaferfassung, die mehr als zweijährige Batterielebensdauer, analoge Zeiger-Indikationen sowie eine Kompatibilität mit Apple- und Android-Smartphones. Die Kommunikation zwischen Telefon und Uhr erfolgt energiesparend über Bluetooth in beiden Richtungen.

Connected: Horological Smartwatch - Smartphone - Cloud
Der für MotionX patentierte Antrieb, der die Daten verschiedener Sensoren zusammenführt, erfasst präzise Aktivitäts- und Schlafmuster. Die Informationen zu Aktivität und Schlaf werden in Echtzeit auf klassische Weise dargestellt und automatisch mit bereits verfügbaren Apps auf Apple- und Android-Smartphones synchronisiert.

Die Horological Smartwatch kooperiert mit einer bereits existenten Smartphone App
Letztere zeigen anschließend mithilfe durchdachter Grafken die Relation von Aktivitäten und Schlaf im Laufe eines Tages, einer Woche oder eines Monats. Diese Daten kann der Benutzer zur Optimierung seines eigenen Lebensstils und Wohlbefindens nutzen.
Peter C. Stas erläutert die Funktionen der Horological Smartwatch:



„Wir verbringen ein Drittel unseres Lebens mit Schlafen, doch eine überwältigende Mehrheit der Menschen hat wenig bis überhaupt keinen Einblick in ihre Schlafgewohnheiten“, erklärt dazu Philippe Kahn. „Die Horological Smartwatch Open Platform ist ein Sprung nach vorn, denn sie verändert unser Wissen über unsere täglichen Routinen. Sie basiert auf der Erfassung und Analyse von mehr als 100 Millionen Nächten Schlaf und vielen Jahren der Forschung und Entwicklung im Bereich der Biomechanik der natürlichen Bewegung des Menschen. Ganz gleich, ob Sie schlafen oder wach sind – die Swiss Horological Smartwatch versorgt Sie mithilfe patentierter hochmoderner Sensortechnologie mit präzisen Informationen zu Schlaf und Aktivität, und Sie müssen Sie niemals aufladen!“

Derzeit bieten die Horological Smartwatches von Frédérique Constant und Alpina zusammen mit dem Smartphone folgende Funktionen:
Indikation von Uhrzeit und Datum
Einstellung sowie Korrektur von Uhrzeit und Datum über das Smartphone. Stellt sich das Smartphone beispielsweise nach der Ankunft in Genf automatische auf die dortige Ortszeit um, folgen sofort auch die Zeiger der Horological Smartwatch.
MotionX-Aktivitätserfassung
Sleeptracker-Schlaferfassung
Schlafphasenwecker
Inaktivitätsalarm
Adaptives Coaching, also die Möglichkeit das eigene Wohlbefinden anhand der gesammelten Daten zu trainieren und zu optimieren.
Mindestens zwei Jahre Batterielebensdauer
MotionX-Cloud-Datensicherung und -Rücksicherung

Soft- und Firmware-Updates werden, sobald verfügbar, online aufgespielt. Sollten sich die Hardware-Technologien grundlegend ändern, können, so Peter Stas, neue Module eingesetzt werden. Um eine Smartwatch auf dem neuesten technische Stand zu besitzen, braucht es also kein neues Gehäuse und Armband.
Die Frédérique Constant FC-285V5B4 in Fakten:

Gehäuse
Poliertes Stahlgehäuse mit Roségold-Beschichtung
Durchmesser 42 mm
Bombiertes Saphirglas
Wasserdicht bis fünf bar
Uhrwerk FC-285 Quarz,
Funktionssteuerung über die Krone
Mindestens zwei J
ahre Baterrie-Lebensdauer
Funktionen
Datum und Zeit über Smartphone
MotionX Aktivitätstracker
Sleeptracker Schlaft Überwachung
Schlafzyklus-Alarmfunktionen
Inaktivitäts-Alarmfunktion
Adaptives Coaching
MotionX cloud backup and restore

Zifferblatt
Silberfarbene mit handapplizierten Indexen
Handpolierte, roségoldbeschichtete Stahlzeiger
Armband Braunes Lederband mit Faltschließe

Preis ca. 1.000 Euro
An Damen wendet sich Alpina mit der 39 Millimeter großen Edelstahl-Referenz AL-285BTD3C6B. Sie besitzt die gleichen Features, trägt auf dem Zifferblatt jedoch elf Diamanten.

Alpina-Chef Guido Benedini stellt die Horological Smartwatch von Alpina vor


