Wer sich eine skelettierte Uhr ans Handgelenk schnallt, ist zweifellos ein Technik-Freak der abgehobenen Art. Staunend kann er den Motor seinerArmbanduhr, der lediglich ein Milliardstel PS auf den Leistungsprüfstand
bringt, stundenlang betrachten. Ihn interessiert, „was die Welt im Innersten
zusammenhält”, wo es lang geht, wie die Kraft vom Federhaus zur Hemmung und
weiter zum Gangregler fließt. Auf der anderen Seite frönt dieser
technikverliebte Menschenschlag in aller Regel auch schöngeistiger Lebensart. Er
liebt Literatur, Musik, Gaumenfreuden und natürlich elegantes Outfit.
Freilich gibt es auch bei den uhrmacherischen Skeletten den bekannten feinen Unterschied:.
Da ist die klassische Handskelettierung traditioneller Art, bei der ein existentes Uhrwerk mit Bedacht ausgesägt und das Verbliebene sorgfältig feinbearbeitet und dekortiert wird.
Auf einem ganz anderen Blatt Papier stehen bereits skelettiert konstruierte und dementsprechend gefertigte High-End-Kaliber.
Dritte im Bunde sind maschinenskelettierte Uhrwerke, die natürlich deutlich günstiger zu haben sind.
In jedem Fall müssen die Konstrukteure und Uhrmacher darauf achten, dass die Festigkeit der tragenden Teile, also der Platine, Brücken und Kloben, unbedingt erhalten bleibt. Nur so können skelettierte Kaliber ihren tickenden Dienst einwandfrei versehen. Ergo verlangt Durchbrochenes mehr als nur handwerkliche Fertigkeiten. Was zählt, sind auch exakte Kenntnisse zur Struktur mechanischer Uhrwerke und zum Kraftfluss im feinen Getriebe. Trotz oder gerade wegen der geringen Kräfte in überlieferten Uhrwerken dürfen die unabänderlichen Gesetze der Mechanik niemals vernachlässigt werden.
Während des Genfer SIHH 2015 stand das Thema Skelett einmal mehr hoch im Kurs. Für meine Leserinnen und Leser habe ich drei ganz Modelle mit unterschiedlichem Anspruch und Background herausgesucht. Hier sind sie:
Michel Parmigiani ist, wie der Nachname unschwer erkennen lässt, italienischer Herkunft.

Michel Parmigiani
Deshalb trägt die klassische Linie von Parmigiani Fleurier auch den Namen „Tonda“, was auf gut Deutsch rund heißt. Genau so und keinen Deut anders hat die Manufaktur das 39-mm-Gehäuse der roségoldenen „Tonda 1950 Skelett“ gestaltet. Ans Jahr 1950 erinnern die markanten Bandanstöße dieses Zeitmessers . Ein vorderseitig sichtbarer Mikrorotor aus massivem Platin versorgt das kunstvoll von Hand durchbrochene Automatikkaliber PF705 mit frischer Energie.

Die Werkplatte, Brücken und Kloben haben kunstfertige Handwerker filigran durchbrochen und verziert. Allein rund 40 Arbeitsstunden verschlingt das rein manuelle Anbringen der insgesamt 127 einspringenden Winkel.

Gehäuse gibt es in Weiß-

oder Roségold mit feinen Lederbändern von Hermès. Die vornehmen Franzosen sind mit 25 Prozent an der Werkemanufaktur Vaucher, einer Schwester von Parmigiani Fleurier beteiligt.
Die große Passion des amerikanischen Modezaren Ralph Lauren

für automobile Oldtimer erster Güte besitzt, sollte sich längst herumgesprochen haben. Zu den Top-Exemplaren seiner Kollektion gehört der preisgekrönte Bugatti Type 57SC Atlantic Coupe von 1938.

Der Bugatti Type 57SC Atlantic Coupe von Ralph Lauren gewann 2013den Concours d’Elegance

Dass dieses elegante Fahrzeug eines Tages Inspirationen für neue Armbanduhren mit der Signatur Ralph Lauren liefern würde, war spätestens nach dem Concours d’Elegance 2013 zu erwarten. Während des SIHH zeigte das Joint Venture zwischen Ralph Lauren und dem Richemont-Konzern in seiner „Automotive Collection“ nicht weniger als sechs verschiedene Kreationen dieser Art. Einendes Element der in unterschiedlichen Preisklassen angesiedelten Armbanduhren ist die Verwendung von Wurzelholz. Ganz oben rangiert ein markantes Modell mit dem Handaufzugskaliber RL1967. Erstmals in der jungen Geschichte des Labels verbaut Ralph Lauren ein skelettiertes Uhrwerk. Das tiefe Schwarz der durchbrochenen Platine, Brücken und Kloben kontrastiert mit den Zahnrädern und der Gluydur-Unruh, welche jede Stunde entschleunigte 18.000 Halbschwingungen vollzieht.

Nach Vollaufzug beträgt die Gangautonomie 45 Stunden. Der Lieferant
des üppig dimensionierten Basis-Uhrwerks 98290, dessen überlanger Rückerzeiger an
Firmengründer F.A. Jones erinnert, gehört logischer Weise auch zur Richemont
Gruppe, geht seinen Geschäften in Schaffhausen nach und heißt IWC. Die äußeren
Werte des Zeitmessers mit Durchblick bestehen in einem schwarzen, 45 Millimeter
großen Stahlgehäuse und einem Wurzelholz-Glasrand.
Die Genfer Manufaktur Roger Dubuis hat 2015 zum Jahr des uhrmacherischen Skeletts erklärt.

Jean-Marc Pontroué - CEO der Manufacture Roger Dubuis
Dabei gingen die selbst gesteckten Ansprüche sehr weit. Von den Uhrwerken sollte nämlich nur so viel übrig bleiben, dass eine zuverlässige Funktion unter allen Tragebedingungen gewährleistet ist. Die Poleposition unter den neuen Modellen obliegt dem opulenten, weil 47 mm messenden „Excalibur Spider Skelett Fliegendes Doppeltourbillon“.

Neben dem 16¾-linigen Handaufzugskaliber RD01SQ mit zwei gegenläufig drehenden Minutentourbillons ist auch das Titangehäuse skelettiert. Auf diese Weise entsteht optimale Transparenz. Die „fliegenden“ Drehgänge sind durch ein Differenzial miteinander verbunden, welches die Gangleistungen mittelt. Jede der beiden Unruhn vollzieht pro Stunde 21.600 Halbschwingungen. Das durchbrochen konstruierte Uhrwerk besteht auch 301 Komponenten und baut 7,67 mm hoch. Der eigenen Qualitätsphilosophie folgend liefert Roger Dubuis ausnahmslos alle Armbanduhren mit dem Genfer Siegel. Will unter anderem heißen: Gangabweichung pro Woche maximal eine Minuten.



Dieses
unverrückbare Faktum gilt also auch für die 188 Exemplare des skelettierten
Doppeltourbillons.