Keine Frage: Das absolute Highlight am Messestand von A. Lange & Söhne ist das 44,2 Millimeter große Platin-„Zeitwerk“ mitt Repetitionsschlagwerk.
Unübersehbar am Eingang des Messestands von A. Lange & Söhne während des SIHH 2015: ein überdimensionales Modell des Lange Zeitwerk mit Minutentrepetition
Die beiden schwarz polierten Hämmer zum akustischen Verkünden der Stunden, Zehnminuten-Intervalle und Minuten bewegen sich nach dem Auslösen der Mechanik prominent auf der der Vorderseite des Boliden. Weil es zur Maxime von Lange gehört, die Dinge etwas anders zu machen und das „Zeitwerk“ die Stunden und Minuten digital abbildet, haben sich Chef-Entwickler Tony de Haas und sein Team fürs Schlagwerk etwas Besonderes einfallen lassen: Es gibt immer exakt das akustisch wieder, was sich in den beiden großen Fenstern ablesen lässt.
Das Lange Zeitwerk Minutenrepetition
Bekanntlich schreitet die Zeit auch während des Schlagens kontinuierlich fort. Um 12:59 Uhr dauert es, wie mir Tony sagte, etwa 19 Sekunden um zwölf Mal die tiefe Tonfeder, fünf Mal beide Klangkörper und neun Mal die hohe Tonfeder anzuschlagen. Währenddessen kann es jedoch längst schon ein Uhr geworden sein. Deswegen schalten die Scheiben des aus 771 Bauteilen komponierten Handaufzugskalibers L043.5 mit 2,5 Hertz Unruhfrequenz erst dann weiter, wenn das Repetitionsschlagwerk seinen tönenden Job vollständig erledigt hat.
Das Handaufzugskaliber L043.5 in der Lange Zeitwerk Minutenrepetition - bei der “5” der Ablaufregler
Damit keine Nebengeräusche den Ohrenschmaus stören, ist für die Ablaufgeschwindigkeit ein lautloser Fliehkraftregler zuständig. Im Gegensatz zu klassischen Repetitionsschlagwerken, bei denen der Auslösevorgang einen kleinen Federspeicher auflädt, dient in diesem besonderen Fall die Zugfeder des Uhrwerks als Antrieb.
Selbstverständlich wollte A. Lange & Söhne hier nichts dem Zufall überlassen. In diesem Sinne lässt sich die Repetition nicht mehr per Drücker im Gehäuserand auslösen, wenn die Gangautonomie den Wert von zwölf Stunden unterschreitet. Diesen Wert kennzeichnet eine rote Markierung auf der Gangreserveanzeige. Apropos: Die Zugfeder treibt das Schlagwerk auf dem Weg über das Sperrrad an.
Schlagwerksmechanismus des Lange L043.5
Somit beeinflusst jedes Schlagen der Zeit natürlich die maximal 36 Stunden währende Gangautonomie. Die Auflage dieser Armbanduhr ist nicht limitiert, aber der hohe Fertigungsaufwand begrenz die Produktion des durch sechs Patente geschützten Oeuvre von ganz alleine. Außerdem dürfte ein Publikumspreis von 440.000 Euro dafür sorgen, dass weltweit nur sehr wenige Zeitgenossen in den Genuss dieser klingenden Zeit-Maschine kommen.
Ganz anders sieht es aus bei der „Lange 1“. Seit zwanzig Jahren ist sie unverändert am Markt. Mit asymmetrischem Zifferblatt, innovativem Großdatum und Gangreserveanzeige hat die augenfällige Ikone der neuen deutschen Uhr-Kultur hat nicht nur Geschichte geschrieben, sondern auch etliche gestalterische Nachahmer gefunden. Gegenstand zahlreicher Auszeichnungen war das Kaliber L901.0 mit zwei Federhäusern, drei Tagen Gangautonomie, neun verschraubten Gold-Chatons, Glashütter Dreiviertelplatine, handgraviertem Unruhkloben sowie eleganter Schwanenhals-Feinregulierung. Was vielleicht nicht alle wissen: Im Anfang der 1990-er Jahre entwickelten Handaufzugswerk hat A. Lange & Söhne nolens volens etliche Komponenten der Schwester Jaeger-LeCoultre verbaut. Walter Lange, den ich darauf am Messestand ansprach, meinte lakonisch, dass die Manufaktur damals gar keine andere Wahl hatte. „Mir tat das in der Seele weh, aber wir mussten Schweizer Hilfe in Anspruch nehmen, um unsere Ziele nach der Wiedergeburt erreichen zu können.“ „Damit die Lange 1 auch während der kommenden zwanzig Jahre erfolgreich bleibt, mussten wir ein neues Uhrwerk für unseren Leader entwickeln“ erläuterte mir CEO Wilhelm Schmid die auf diese Armbanduhr bezogene Kaliber-Initiative.
Lange CEO Wilhelm Schmid
Drei Jahre konkrete Entwicklungszeit und 25 Jahre einschlägige Erfahrung sind in das neue Handaufzugswerk L121.1 mit nicht weniger als acht verschraubten Chatons eingeflossen.
Das neue Handaufzugskaliber L121.1 in der Lange 1, Edition 2015ff
Geblieben sind zwei Federhäuser, obwohl, wie mir Wilhelm zu verstehen gab, „wir die Gangautonomie von drei Tagen auch mit einem Federhaus locker erreicht hätten. Aber zu unserer Lange 1 gehören nun einmal gewisse Standards.“ Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so erscheint: Mit dem neuen Uhrwerk gehen einige signifikante Änderungen einher. Beispielsweise schaltet das Großdatum nun pünktlich um Mitternacht akkurat springend auf den nächsten Tag weiter. Zu diesem Zweck werden kleine Federn –analog zum ewigen Kalender- über mehrere langsam vorgespannt. Zum Fortschalten wird die solcherart angesammelte Kraft schlagartig freigesetzt. Eine andere Besonderheit des weiterhin mit drei Hertz oszillierenden Schwingsystems besteht in der Unruh mit variablem Trägheitsmoment. Die Regulierung des Gangs erfolgt durch kleine Exzenter. Durch diese Maßnahme kann die selbst gefertigte Unruhspirale völlig frei schwingen. Der Rückerzeiger mit Schwanenhals-Feinregulierung ist somit entbehrlich. Gleichwohl erkennt man ein solches Regulierorgan auf dem gravierten Unruhkloben.
Das Schwingsystem im neuen Handaufzugskaliber Lange L121.1. Die Unruh besitzt ein variables Trägheitsmoment. Der Rückermechanismus mit Schwanenhals-Feinregulierung auf dem handgravierten Unruhkloben dient dem Einstellen des Anker-Abfalls
Dazu Wilhelm Schmid: „Dieses Merkmal gehört einfach zur Lange 1.“ La pour la geht bei Lange natürlich nicht. Deshalb besitzt die Baugruppe natürlich eine Funktion. Hier hat Lange ein wenig Anleihe genommen beim Nachbarn Glashütte Original, die bei ihren Kalibern mit doppelter Schwanenhals-Feinregulierung auch den Anker-Abfall auf diese Weise einstellen können. Genau das geschieht auch beim Kaliber L121.1. Mit Müllentsorgung hat das natürlich nichts zu tun. Vielmehr geht es darum, dem Uhrwerk ein gleichförmiges Tick-Tack beizubringen. Alles beim Alten bleibt bei den verfügbaren Gehäuse-Zifferblatt-Varianten: Gelbgold/Champagne,
Rotgold/Argenté
und Platin/Rhodié.
Gelb- und Rotgold schlagen mit 29.800 zu Buche. Platin kostet 42.300 Euro. Der Durchmesser: wie gehabt 38,5 Millimeter.