„Man sollte nichts verpacken, von dem man nicht weiß was in ihm steckt.“ Diesen sehr ernst zu nehmenden Ratschlag erteilte kein Geringerer als der 2012 verstorbene Ferdinand Alexander Porsche.
Ferdinand A. Porsche im Jahr 1993
Wer ein wenig im Nachlass des 1935 geborenen Produktgestalters stöbert, stößt auf weitere Lehrsätze. Zum Beispiel dass „man sich ganz bewusst mit der Funktion eines Objekts befassen muss, um damit wachsen zu können.“ Genau das hatte „Butzi“ Anfang der 1960-er Jahre getan. Exakt schrieb man 1963, als die Zuffenhausener Sportwagenschmiede einen beispiellosen Kultgegenstand präsentierte, dessen Form sich mit einer einzigen, auch Zärtlichkeit und Liebe charakterisierenden Handbewegung darstellen lässt: den neuen Porsche 911.
Dieser legendäre Sportwagen war und ist ein ruhender Pol im tosenden Meer permanenten automobilen Wandels. Ein echter Klassiker im wahrsten Wortsinn, den behutsame Evolution im Laufe der anschließenden Jahrzehnte kontinuierlich optimierte. Gegen radikale formale Veränderungen einer einzigartigen Ikone sprach allein schon der anhaltende Erfolg. Dieses Produkt zu revolutionieren wäre gleichbedeutend gewesen mit dem Raub seiner Identität.
Der 1972 gefasste Gesellschafter-Beschluss, dass sich die Familienmitglieder aus dem Unternehmen zurückziehen und die Geschäftsführung Externen überlassen sollten, kam Ferdinand A. Porsche ausgesprochen recht. „Diese Entscheidung deckte sich mit meinem persönlichen Verlangen nach gestalterischer Freiheit” … und führte zur Gründung von „Porsche Design” im österreichischen Zell am See. Ein Auftrag der Porsche AG lenkte zur intensiven Beschäftigung mit der Zeit selbst und dem, was das eigentlich Unmessbare letzten Endes dann doch misst. Die ersten Schritte auf das überaus glatte Uhrenparkett zu begründete „Eff-A“ mir gegenüber bei einem Besuch in Österreich mit der ihm eigenen Prägnanz: „Ich stellte mir die simple Frage, wie man Uhren anders machen kann.” Das tat auch bitter nötig, denn in besagten 1970-er Jahren durchlebte die Uhrenindustrie einen gravierenden Umbruch, der eine handfeste Krise nach sich zog. Schwingende Quarze revolutionierten die Zeitmessung. Und digitale Displays veränderten zunehmend ihr Gesicht. „Mir ging es darum,“ so der Mentor des Gebrauchsdesigns damals, „eine Uhr zum Auto zu kreieren. Schwarz wie die Tachometer und Drehzahlmesser des 911-er, weil das beim Ablesen nicht blendet.“ Aus dieser Philosophie entstand der erste Porsche Design Chronograph, ausgestattet mit dem 1973 lancierten Automatikkaliber Valjoux 7750.
Mein Porsche Design Chronograph von 1974 zeigt schon deutliche Tragespuren
Apropos schwarz: Ferdinand A. Porsche lehnte es kategorisch ab, ein solcherart lackiertes Auto zu fahren, denn „da sieht man doch jeden Schmutzfleck.“ Ganz abgesehen davon ist „Schwarz keine Farbe, sondern ein Zustand.“ Den Erfolg schmälerte das in keiner Weise. Bald schon zierten mehr als 50.000 schwarzer Porsche-Design-Chronographen aus dem Hause Orfina die Handgelenke designbewusster Sportwagenfans. Die Schwächen des mit vier Hertz tickenden Debütanten offenbarten regelmäßiges Tragen: An strapazierten Stellen löste sich die signifikante Beschichtung. Zunächst stimmte das den geistigen Urheber nachdenklich. Dann beflügelte es seine Phantasie.
Für Furore sorgte alsbald schon eine ungewöhnliche Tabakpfeife, deren markanten Kühlrippen einen echten Zusatznutzen brachten, welcher über die von „Eff-A“ postulierte Synthese aus Form und Funktion deutlich hinausging.
Nun lag „Design Plus” förmlich in der Luft. Die Sonnenbrille mit zusammenklappbarem Gestell und auswechselbaren Gläsern, ein vielfach kopiertes Modell übrigens, setzte diese gedankliche Linie konsequent fort.
„Styling,” so das frühe Credo des Meisters, „ist nicht mehr als Verpackung und hat mit Design nichts zu tun. Design, die Kunst die sich nützlich macht, bedenkt das Material, die Ökologie, die Herstellung und letztlich auch die ethische Dimension eines Objekts.” Ein weiterer Aspekt der Design‑Philosophie des Verstorbenen darf ebenfalls nicht aus den Augen verloren werden: die unüberwindbare Abneigung gegen Schnörkel und Gags. „Ein formal stimmiges Produkt braucht keine Verzierung, keine Erhöhung. es soll durch die reine Form erhöht werden. Die Form sollte durch das Minimum leben, sich verständlich präsentieren, nicht ablenken vom Produkt und dessen Funktion.”
Kreative-Zeit-Schwingen trugen Eff-A 1978 zur IWC. Die Schaffhauser Manufaktur und Günter Blümlein, ihr damaliger CEO schätzten und teilten die unstillbare Leidenschaft für scheinbar Abwegiges.
Günter Blümlein
Zum Zwecke der Orientierung in Zeit und Raum vereinte das gemeinsame Erstlingswerk, die bereits 1976 angedachte Kompassuhr gleich zwei Präzisionsmessgeräte.
Porsche Design Kompassuhr by IWC
Porsches Argument: „Nicht jeder braucht jeden Tag einen Kompass. Aber der eine oder andere braucht ihn ab und zu, und dann ganz nötig.“ Doch damit nicht genug: „Für mich als Gestalter war das die entscheidende Annäherung an mein Ideal: Design als Funktion und Technik. Oder anders gesagt: Form und Material haben der Funktion zu folgen.“ In diesem Sinne bestand die markante Doppeldecker-Schale zunächst aus oberflächengehärtetem und mit Blick auf die Kompassnadel natürlich auch amagnetischem Leichtmetall. „Mit unseren beiden Fähigkeiten war es gelungen, etwas Neues zu einem alten Thema zu entwickeln.“
Das galt auch für einen opulenten Chronographen mit großflächigen Bedientasten anstelle der überlieferten Drücker. Mit diesem Zeit-Boliden katapultierte F. A. Porsche einen neuen, geradezu revolutionären Werkstoff in die Uhrmacherei.
Porsche Design Titan Chronograph Referenz 3702, wasserdicht bis sechs bar
„Dinge existieren in der Phantasie, bevor sie tatsächlich realisiert werden können, weil die technischen Möglichkeiten noch nicht soweit sind.“ Gemeinsam mit IWC und dem gleichermaßen charismatischen CEO Günter Blümlein gelang F.A. Porsche das scheinbar Unmögliche in Gestalt kompromisslos funktioneller Gehäuse aus gleichermaßen leichtem, zähem und antiallergischem Titan. F. A. Porsche betrachtete es als idealen Stoff für „sympathisches Understatement“. Für den Firmenchef unterstrich es das jahrzehntelang praktizierte Suche nach neuen, andersartigen Lösungen altbekannter Probleme. So gesehen wundert es nicht, dass die Kompassuhr 1991 ebenfalls eine neue Schale aus jenem Traum-Material erhielt, das sich härtesten Beanspruchungen gewachsen zeigt.
Eine Ausschreibung der Deutschen Bundesmarine, welche für ihre Minentaucher benötigte ein spezifisches Profi-Gerät benötigte, führte zum Dritten im Boliden-Bunde. Der Unterwasser-Porsche, „Ocean 2000“ genannt, sorgte für reichlich Schlagzeilen. Immerhin reichte seine Tauchtiefe, wie der Name unschwer erkennen lässt, bis zu 2.000 Meter, wo auf der Schale sagenhafte 200 bar Druck lasten.
Porsche Design Ocean 2000 Referenz 3504
Deutlich zahmer präsentierten sich dagegen „Ultra Sportivo“ und „Sportivo 02“.
Porsche Design Sportivo 02 Referenz 3320 by IWC
Sie gehorchten F. A. Porsches Design-Credo, dass es stets auch Uhren geben muss, „die unmerklich zu tragen sind.“
Die solcherart geweckte Passion für Uhren ließen F.A. Porsche und seine Familie 1995 zu Uhr-Unternehmern werden. Im Herbst besagten Jahres erwarben sie die Marke Eterna. Logischer Weise beeinflusste dieser Kauf die lange, äußerst erfolgreiche Kooperation mit der IWC. Ende März 1998 endete der Vertrag mit den Schaffhausern. Und damit gehörte „Porsche Design made by IWC” der zwangsläufig Vergangenheit an.
Bis in den Herbst 2013 hieß es dann „Porsche Design manufactured by Eterna”. Die neue Kollektion bescherte auch dem 1973-er Klassiker ein Comeback. Natürlich technisch optimiert, aber weiterhin mit dem bewährten Chronographen-Bestseller 7750. Unverwechselbares Kennzeichen der auf 1998 Exemplare limitierten und sehr schnell ausverkauften Sonderauflage in Edelstahl mit matter Schwarzchrom-Beschichtung ist die Unterschrift des Designers auf Gehäuseboden und Ursprungszeugnis.
Mein Exemplar hat die Nummer 0004/1998
Auf diese limitierte Edition folgte nach Versionen in Edelstahl und Titan im Jahr 2012 der unlimitierte „P6510 Heritage Black Chronograph“.
Zu den unter der Ägide des Eterna CEO Ernst Seyr entwickelten Porsche Design-Highlights gehörte mit Sicherheit der 2004 vorgestellte und aus mehr als 800 Komponenten zusammengefügte „Indicator“.
Als Eterna-CEO initiierte Ernst Seyr die Entwicklung des Porsche Design Indicator und der P’6780 Diver
Hier genügt ein Blick, dann weiß Mann, was er gestoppt hat. Bis zu neun Stunden und 59 Minuten erscheinen die Messwerte in großen Ziffern. Die patentierte Manufakturarbeit beginnt mit einer eigenen, um sechs Millimeter vergrößerten Platine für das Kaliber Valjoux 7750 und setzt sich fort in einem Anzeigemechanismus, welcher es an Komplexität mit einem ewigen Kalender oder einer Repetition aufnehmen kann. Rund 350 zusätzliche Teile braucht es allein dazu, die digitale Indikation vorwärts springen und zurücklaufen zu lassen. Drei Motoren, sprich Federhäuser liefern die Kraft, drei „Tempomaten“ (Fliehkraftregler) steuern die Ablaufgeschwindigkeit.
Porsche Design PÄ6910 Indicator by Eterna, Preis 130.000 Euro
Und eine Tankuhr gibt es auch. Die von einem aufwändigen Differenzialgetriebe angesteuerte Gangreserveanzeige stellt dar, wie viel Kraft dem Uhr- und Chronographenwerk jeweils noch zur Verfügung stehen. Den Aufzug besorgt ein Titanrotor mit Goldsegment im Design der Felge des Porsche GT. Außergewöhnlich präsentierten sich ferner der bis 100 bar wasserdichte „P‘6780 Diver“ mit Klappschale
Porsche Design P’6870 Diver by Eterna
und der funktionale „P‘6752 WorldTraveler“.
An 40 Jahre Gestaltungstradition erinnerte schließlich im Jahr 2012 die P’6520 Compass Watch und der P’6530 Titan Chronograph. Beide limitiert auf jeweils 911 Exemplare.
Wie in meinem Blog bereits ausführlich zu lesen war, haben Porsche Design und Eterna den Vertrag 2013 vorzeitig gelöst. Aber das Leben geht natürlich weiter. Und zwar in Form der soeben von der Porsche Design Group (Porsche Lizenz- und Handelsgesellschaft mbH & Co. KG) neu gegründeten Porsche Design Timepieces AG in der Schweiz. Selbige wird irgendwo in der Region des Jurasüdfuß beheimatet sein. Für all jene, die sich in der eidgenössischen Geografie nicht so gut auskennen: Gemeint ist der südliche Rand des Juragebirges. Hier liegen Städte wie Aarau, Baden, Biel, Genf, Neuenburg oder auch das gute alte Grenchen. In jener Gegend, wo bekanntlich auch die Eterna beheimatet ist, wird man die Porsche Design Timepieces AG eines Tages besuchen können, denn der Geschäftsführer des Schweizer Ablegers ist ein alter Bekannter: Patrick Kury (41), ehemaliger Eterna-Boss und geistiger Vater der vielseitigen Kaliberfamilie 39xx.
In den Händen von Patrick Kury lag die technische Entwicklung des Porsche Design Indicator
Auf die Kaliberfamilie 39xx können Porsche Design und Patrick Kury aus rechtlichen Gründen zwar nicht zurückgreifen, aber ich bin mir sicher, dass der einfallsreiche Techniker und sein Team, zu dem versierte Mitstreiter aus zurückliegenden Zeiten gehören, sehr schnell etwas Adäquates auf die Beine stellen werden. Mit der Reduktion auf reine Etablissage, also das Zusammenbauen von Uhren aus zugekauften Komponenten will sich Porsche Design künftig nämlich nicht begnügen.
Jürgen Geßler, CEO der Porsche Design Group
Jürgen Geßler, CEO der Porsche Design Group lässt in diesem Zusammenhang wissen, dass „wir mit diesem Schritt wir die erfolgreiche Historie der Porsche Design-Uhren, welche 1972 mit der Ikone Chronograph 1 begann, fortsetzen werden.“ Fortan wird Porsche Design also zweigleisig fahren: Die Porsche Design Timepieces AG zeichnet für die Entwicklung und Produktion der Zeitmesser verantwortlich während sich die Porsche Design Group mit Sitz in Ludwigsburg um Vermarktung und Vertrieb kümmern. Und einen Termin für den Verkaufsstart der ersten eigenen Uhrenserie kann ich an dieser Stelle auch schon nennen: das vierte Quartal 2014. Fotos der neuen Uhren stehen noch nicht zur Verfügung. Aber immerhin kann ich hier schon mal eine Zeichnung präsentieren.
Dieser Chrono von Porsche Design ist im vierten Quartal 2014 zu erwarten
Lassen wir zum Schluss nochmals Ferdinand A. Porsche zu Wort kommen.
Der fragte sich in den frühen 1980-er Jahren: „Was macht die Faszination einer Uhr aus? Ist es ihre Funktion als Messinstrument, oder ist es ihr Äußeres, also ihr Design?“ Die Antwort gab Eff-A am Ende logischer Weise selbst: „Ich meine, dass sich beides im Streben sowohl der einschlägigen Hand-Werker wie der Künstler wiederfindet.“
Warten wir’s also ab.